Wilhelmshavener Erstaufführung

WITTE WYANDOTTEN

Komödie in drei Akten von Konrad Hansen

Inszenierung Rudolf Sang
Bühnenbild Hannes Kaebe

Souffleuse: Gisela Schmidt
Inspektion: Berta Herpel
Frisuren und Perücken: Rudolf Helmut Kunze
Beleuchtung: Theo Pottbacker

Rollen und Darsteller
Opa Hartmann - Heino Aden
Emmy - Hildegard Steffens
August - Günter Boye
Pitt - Enno Buß
Krawuttke - Kurt Röthel
Tante Pauline - Annemarie Beermann

Opa (Heino Aden) geht ganz normal mit dem Killer Pitt (Enno Buß) um - eine köstliche Szene aus "Witte Wyandotten" - Spielzeit 1968/69 -

PRESSESTIMMEN

Eine Gaunerkomödie ganz besonderer Art

Niederdeutsche Bühne spielte "Witte Wyandotten"

Von Gustav Remmling

Die Niederdeutsche Bühne im Stadttheater Wilhelmshaven bescherte mit der Gaunerkomödie "Witte Wyandotten" von Konrad Hansen etwas Besonderes: ein hintergründiges Schmunzelstück, das sich von dem bisherigen Possen- und Heimatniveau abhob.

Schon der Titel läßt nichts von dem eigentlichen Inhalt des Stückes erkennen denn weiße Wyandotten sind eine aus Amerika stammende Hühnerrasse mit prächtig weißgelblichem Federkleid in das sich Opa Hartmann nun einmal verliebt hatte. Aber er wohnte leider in einer jedem Federvieh feindlich gesinnten Stadt. Als nun seine nicht gerade liebevolle Schwiegertochter Emmy eine etwas schlampig gewordene Bardame, Opas Hühner kurzerhand verschachert hatte, flüchtete sich der alte Mann in seinen "Tick", seine sechs Wyandotten lebten für ihn imaginär in der alten Umgebung weiter, wobei für seine Nachbarn die Frage offenblieb. ob der verschmitzte Alte wirklich den "Tick" hatte oder ihn nur seiner Umgebung zum Verdruß vorgaukelte.

In diesen beiden Typen liegt der Angelpunkt der Regie und der Personenbesetzung Rudolf Sangs. Den Opa Hartmann hatte er Heino Aden anvertraut, dessen Naturtalent bewundernswert auch in Beherrschung der niederdeutschen Sprache und Diktion für den schrulligen Alten goldrichtige Töne fand. Dabei stand ihm in Annemarie Beermann als Tante Pauline eine ebenbürtige Partnerin zur Seite. Man schmunzelte gerührt über beider Gehabe, wenn sie großartig in Mimik und Gestaltung ihre altersbedingten Wehwehchen u und Schwächen ausspielten und damit der menschlichen Seite dieser vielschichten Gaunerkomödie lebenswarmen Ausdruck verliehen.

Für die ins Kriminelle schlagende Rolle der Schwiegertochter Emmy hatte der Regisseur Hildegard Steffens eingesetzt. Ob sie dieser Rolle ganz gewachsen war, sei dahingestellt. Für eine ehemalige Bardame fehlte ihr die raffinierte Geschmeidigkeit und anerzogene Vornehmheit, die dem Stück gerade jenem angedeuteten Esprit hätte geben müssen, um es zur echten Kömödie zu erheben. Hier versagte die Regie, wenn das Stück nicht jenen Beifall fand, den es anlagemäßig vom Autor her verdiente. Die Rolle war von vornherein auf zu hart und derb eingestellt. Man traute dieser Emmy einen Mordanschlag auf den Opa, nur um sein Haus und Vermögen zu erben sehr wohl zu, nicht aber das Aufatmen einer zweispältigen Seele, die nach Anlage des Textbuches nur mit dem Gedanken eines Mordes spielte, ihn aber niemals, wenn auch durch einen Killer, hätte vollziehen lassen.

Daß Hildegard Steffens mit dieser Rolle überfordert war, erwies sich auch im Zusammenspiel mit Günter Boje, der den kleinen Gauner August recht gut verkörperte und die Möglichkeiten seiner Rolle voll ausschöpfte. Aber gerade diese gaunerhafte Gemeinsamkeit des Ziels mußte hier eine charakterliche Gegenseitigkeit auf den Plan rufen: die ehemaligen Bardame in ihrer Haltung gegenüber dem geistig unter ihr stehenden kriminellen Handlanger August. Dies war in der Regie Rudolf Sangs in keiner Weise angedeutet.

Prächtig wurde der Makler Krawuttke von Kurt Röthel gemimt, dessen Erscheinen jeder Szene des Stücks neue und in ihrer rastlosen Geschäftigkeit betonte Lichter setzte. Enno Buß gab diesem Stück mit dem Killer Pit eine besondere Nuance seiner vielseitigen Gestaltungskunst. Daß er so starke Momente hintergründigen Spiels seiner Rolle: abzugewinnen vermochte, beweist wieder einmal seine darstellerische Begabung. Seine Wandlung vorn Saulus zürn Paulus war tiefdurchdachtes Spiel: der Killer wurde über das Hobby der Zucht weißer Wyandotten zum Freund Opa Hartmanns, der mit dem Verkauf seines Stadthauses seiner Lieblingsbeschäftigung wieder nachgehen durfte und darüber auch seinen "Tick" vergaß.

Hannes Kaebe fing in seinem Bühnenbild wie immer die Atmosphäre kleinbürgerlicher Gaunereien stilecht ein und bot der Regie die Voraussetzung für ein flottes und gutes Ensemblespiel. Der Beifall war stark.

Tante Pauline (Annemarie Beermann) spielt mit,  bei Opa Hartmanns (Heino Aden) Wyandotten-Tick  - eine Szene aus "Witte Wyandotten" - Spielzeit 1968/69 -

Opa Hartmann bändigt seinen Killer

Bühnenleiter Willy Beutz ging ganz bewußt ein Risiko ein als er die plattdeutsche Gaunerkomödie "Witte Wyandotten" als vorletztes Stück der Spielzeit 1968/69 auf das Programm setzte. Denn wenn einige der Zuschauer glaubten, sie hätten sie hätten wieder einen Abend zu ihrer eigenen Belustigung durch ein Theaterstück in plattdeutscher Sprache, so wurden sie enttäuscht. Konrad Hansen, der Autor des Stückes, schrieb keinen Schwank und keine Posse, sondern eine Kriminalkomöidie, deren Hintergründigkeit man spüren muss, deren Handlung auch einwenig Bitterkeit und Tragik enthält, wenn man daran denkt, welches Schicksal dem armen Opa Hartmann, von seiner eigenen Schwiegerktochter und deren Galan zugedacht war.

Nein, viel zu lachen gibt es in diesem Bühnenstück nicht, auch nicht über Enno Buß, der diesmal nicht einen etwas tollpatschigen Knecht spielt, sondern einen Killer, der nach außen hin eiskalt wirkt, in Wirklichkeit aber doch die Sehnsucht nach bürgerlicher Geborgenheit und sicherer Existenz mit sich herumschleppt.

Vielleicht hätte Intendant Rudolf Sang die sich schon im ersten Akt offenbarende Hintergründigkeit, die ganze dumpfe Zwielichtigkeit des Milieus noch besser herausarbeiten sollen, wie sie allein schon in dem hervorragend gelungenen Bühnenbild von Hannes Kaebe zum Ausdruck kam. So wirkte der erste Akt schleppend und ohne Höhepunkte. Daran konnte auch die glänzend ausgedeutete Rolle Hildegard Steffens` nicht viel ändern, die in ihrer Schnoddrigkeit und Frivolität als berechnende Schwiegertochter Emmy Hartmann über sich selbst hinauswuchs und ihrer Partie ein Profil gab, wie es krasser und treffender nicht sein konnte.

Als nichtstuender "Hausgenosse" steht Günter Boye in der Rolle des Helers August Drallmeier mit beiden Beinen fest im Spiel. Seine Brutalität wird erst wach, als er merkt, das er von seiner Liebsten bedenkenlos übers Ohr gehauen werden soll.

Kurt Röthel war ein aalglatter berlinernder Geschäftemachter Krawuttke, der in der Schwiegertochter Opa Hartmanns eine ihm überlegene Partnerin findet, schließlich aber doch noch sein Ziel, allerdings auf einem anderen Weg, erreicht und Opas Haus bekommt.

Daß Enne Buß auch andere Rollen als einen Bauernknecht spielen kann, bewies er treffend als der in Unterweltskreisen als erfolgreicher Killer bekannte Pit, dem nie etwas nachzuweisen ist. Wie es kommt, daß er seinen "Auftrag" nicht ausführt und sogar Partner des hühnerliebenden Opa Hartmanns wird, sei nicht verraten.

Annemarie Beermann verdiente Sonderapplaus als Nachbarin Tante Pauline, die um ihren bei einem Bankraub geschnappten Paul trauert und Trost bei Opa Hartmann und in der Schürzentasche steckenden Schnapsflasche sucht.

Die beste Leistung erreichte Heino Aden als Opa Hartmann, der um sein Hab und Gut gebracht werden soll. Gerade die besonnene Verhalteneit, diese schlichte Würde austrahlende Haltung, das Ahnen um ein ihm drohendes Verhängnis, traf Heino Aden meisterhaft. Abseits von ,jeder Routine spürte man in dieser Ausdeutung der Rolle eine echte komödiantische Reife, die hohe Anerkennung verdient.

Wer sich dieses Stück ansieht, ohne eine billige Posse zu erwarten, wird nicht enttäuscht sein, und so werden sich auch die Erwartungen, die Willy Beutz mit dieser Inszenierung verband, erfüllen. Das bewies der herzliche Beifall, der am Schluß in in erster Linie für ein fehlerloses Spiel aller Darsteller gespendet wurde. -bs.

Opa (Heino Aden) ist wieder da - Emmy (Hildegard Steffens), August (Günter Boye) und Krawuttke (Kurt Röthel) sind wenig begeistert- eine Szene aus "Witte Wyandotten" - Spielzeit 1968/69 -

Viel Milieu und weniger Humor

Von Ernst Richter

Die Szenerie führt das Publikum in Opa Hartmanns Stube. Mit viel Details hat Hannes Kaebe das nicht gerade erheiternde Bühnenbild hingebaut. Das ist so eine richtige Bruchbude kleinstädtischen Milieus. Hier lebt Opa Hartmann mit Emmy, seiner allein gebliebenen Schwiegertochter, die sich drastisch vulgär gibt und mit August, ihrem Wohngenossen, einem Ganoven, umspringt, wie es ihr die Laune eingibt. Und die ist alles andere als fröhlich.

Dies makaber stimmende Spiel um "Witte Wyandotten" hat es naturgemäß schwer, heitere Töne zu finden. So wurde zunächst auch nichts aus der vorgesehenen niederdeutschen Gaunerkomödie, zumal Hildegard Steffens als Emmy fast verbissen realistisch und ohne den gewissen Schalk im Nacken ihre Rolle bringt. Das ist ganz gewiß eine gekonnte Partie, entbehrt aber jeglicher Komik. Das ist milieuecht und deswegen keineswegs erheiternd.

Heino Aden als Opa Hartmann allein sorgt bis zur Pause für teils hintergründigen Humor, teils offenkundige Situationskomik. Günter Boje spielt den Tagedieb August, der sich gern ins gemachte Netz setzen möchte und sehr böse wird, als Opa Hartmann hinter seine Diebesbeute kommt. Annemarie Beermann sorgt als Tante Pauline für Heiterkeit um einen Pelzmantel. Und Kurt Röthel gelingt die Darstellung des aalglatten Geschäftsmanns. Doch die Geschäfte hinter Opas Rücken klappten nicht. So wird der mörderische Plan gefaßt: Opa muß weg.

Als gedungener Killer tritt im dritten und letzten Akt Enno Buß in Erscheinung. Wie er sich mit Opa anlegt, wie er von ihm "bekehrt" wird und es zu einem unerwarteten Arrangement kommt, das ist dann doch echt komödienhaft und versöhnt mit der düsteren Charakterzeichnung der vorausgegangenen Akte.

Rudolf Sang führte Regie zu diesem Spiel um die imaginären "Witten Wyandotten" von Konrad Hansen, das am vergangenen Wochenende im Stadttheater von der Niederdeutschen Bühne Rüstringen aufgeführt wurde. Die harte Realität dieser Milieustudie könnte sicher mit etwas mehr Komik ins Lächerliche verkehrt und damit zur echten Gaunerkomödie werden. Das wäre wohltuend und würde die Abwendung von der Tragikomödie bringen.

Was hecken Pitt (Enno Buß), Krawuttke (Kurt Röthel) und Opa (Heino Aden) schon wieder aus? - eine Szene aus "Witte Wyandotten" - Spielzeit 1968