Festaufführung zum 50jährigen Bühnenjubiläum

2. Wiederaufführung (3), davor 1955/56 und 1966/67 gespielt

JEPPE IN´T PARADIES

Komödie in drei Akten von Paul Schurek für die Niederdeutsche Bühne Wilhelmshaven bearbeitet und eingerichtet von Rudolf Plent

Inszenierung: Rudolf Plent a.G.
Bühnenbild: August Ahlers a.G.
Regieassistenz: Arnold Preuß

Bühnenbildbau: Alfred Christoffers, Karl-Heinz Goldenstein, Bernd Kaßdorf u.a.
Souffleuse: Hanna Christoffers
Requisiten: Marga Goldenstein
Inspizientin Bertha Herpel

Rollen und Darsteller
Jeppe, ein kleiner Bauer - Karl-Heinz Herpel
Mieke, seine Frau - Hildegard Steffens
De Herr Baron - Günter Boye
De Herr Inspektor - Kurt Röthel
Hein, Kammerdiener - Horst Jönck
Anna, Kammerzofe - Wilma Welte
Der Wirt - Wilhelm Pick


Jeppe in´t Paradies - gespielt in der Aula der Käthe-Kollwitz-Schule (v.l. Hildegard Steffens, Karl-Heinz Herpel)

WILHELMSHAVENER ZEITUNG

Heiter nachdenkliches Märchen von einem frühen "Aussteiger"

zum 50. Geburtstag der Niederdeutschen: "Jeppe in´t Paradies"

Von Barbara Schwarz

Ein heiter nachdenkliches Märchen mit Happy End hat die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven jetzt zu ihrem 50. Geburtstag herausgebracht: "Jeppe in't Paradies" von Paul Schurek. Die geladenen Geburtstagsgäste aus Stadt und Land, über 300 an der Zahl, sahen die 1955 in Oldenburg uraufgeführte Komödie mit sichtlichem Vergnügen.

Rudolf Plent, Regisseur vom Staatstheater Oldenburg, hat Schureks Komödie für die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven inszeniert und neu bearbeitet. Jeppe ist nicht wie in zwei früheren Inszenierungen nur ein fauler Kleinbauer, der sich in eine Phantasiewelt zurückzieht, lieber säuft als arbeitet, ein Versager, sondern eher ein früher Aussteiger, der meint: "De Minsch is op de Erd um sik to högen" oder "een Nichtsnutz het eben so veel Recht op Erd as'n Veelnutz" oder "ik bün nich fuul, ik do bloots nich geern wat" oder "denken is manchmal beter as doon".

Jeppe, der liebenswerte philosophierende Liedermacher träumt davon, nicht länger schuftender Kleinbauer, sondern Musikus zu sein. Ein wenig näher kommt er seinem Traum nur im Uhlenkrog; denn beim Kröger findet er nicht nur ein Instrument, die Haromika, sondern auch Publikum für seinen Gesang und sein Spiel. Und im Rausch vergißt er die Wirklichkeit. Singend und spielend fühlt er sich wie im Paradies.

Jeppe (Karl-Heinz Herpel) erwacht im königlichen Bett und trifft auf die liebreizene Anna (Wilma Welte)

Mieke, seine Frau, hat zwar ihre Not mit Jeppe, aber ihre einfühlsame Liebe läßt sie Jeppe verstehen und seine Qualitäten erkennen. Lieber schuftet sie für zwei, als Jeppe zu etwas zu zwingen, das seiner Natur nicht entspricht. Die kluge Mieke schafft es auch am Ende eines Spiels, das der Baron, sein Inspektor, Kammerdiener Hein und Zofe Anna mit Jeppe trieben Deppe die Stellung zu verschaffen, von der er träumt: er wird Musikus des Barons.

Es zeigt sich bei dieser Inszenierung von Schureks feinsinniger Komödie um die Fragwürdigkeit von Größe und Macht und andererseits die innerliche Selbstverwirklichung, daß die Niederdeutsche Bühne über hervorragende Spieler verfügt. Karl Heinz Herpel weiß dem Jeppe ebensoviel liebenswertweise wie witzig pfiffige Töne abzugewinnen. Er macht auch das Entsetzen eines Menschen glaubwürdig deutlich, der plötzlich mit seiner dunklen Seite konfrontiert wird und erkennen muß, wie sehr auch er in Gefahr ist, Macht zu mißbrauchen wenn er sie hat. Eine ganz hervorragende Leistung.

Hildegard Steffens ist als Jeppes Frau Mieke nicht minder überzeugend. Sie trifft genau den richtigen Ton zwischen verständnisvoll mütterlicher Liebe und resoluter Tatkraft. Wie eine Löwenmutter ihr Junges, verteidigt sie ihren Jeppe. Wilhelm Pick als geschäftstüchtiger, den armen Jeppe immer wieder verlockender Kröger stattet die Figur mit der notwendigen hintergründigen Gerissenheit aus.

Günther Boye zeichnet den Baron nobel, weise und menschlich. Wilma Welte ist eine muntere Zofe Anna, Kurt Röthel ein selbstgerecht dickbramsiger Inspektor, Horst Jönck ein pfiffigkomischer Kammerdiener. Nach einem Entwurf von August Ahlers haben die technischen Mitarbeiter der Niederdeutschen Bühne Alfred Christoffers, Karl Heinz Goldenstein und Bernd Kaßdorf zwei bunte Märchen Bühnenbilder gemalt und gebaut. Auf die bäuerlichen Requisiten wurde besondere Sorgfalt verwendet. Und mit dabei war schließlich auch ein Hund bzw. Hündin Anka; kein Windspiel, wie es Barone normalerweise an der Leine zu führen pflegten, sondern eher ein deftig niederdeutsche Tier, ein Boxer.

Viel Beifalls gab's für alle an dieser rundherum gelungenen Festaufführung Beteiligten; Beifall, in den sich für Hildegard Steffens und Karl Heinz Herpel sogar verdiente Bravo Rufe mischten. Die nächste Aufführung findet am kommenden Sonnabend um 20 Uhr in der Käthe Kollwitz Schule statt.

Jeppe wird auf die Probe gestellt

QUICKBORN

von Karl Veit Riedel

Jeppe in'n Paradies. Komödie in drei Akten von Paul Schurek. Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven (Premiere 25.9.1982, Aufführung 16.10. 1982).

Die Niederdeutsche Bühne Wilhelmshaven wählte als Festaufführung zu ihrem 50jährigen Jubiläum das vielfach variierte Spiel vom Königstraum. Für die wegen des Umbaus des Wilhelmshavener Stadttheaters bezogene, vorzüglich geeignete Ausweichspielstätte in der Käthe-Kollwitz-Schule schufen nach den Entwürfen von August Ahlers/Oldenburg Alfred Christoffers und seine rührigen Mitarbeiter ein niedliches, kinderbuchlustiges, farblich ansprechendes, gut geeignetes Bühnenbild und passende, prächtige Kostüme.

In diesem Ausstattungsrahmen führte der Regisseur, der das Spiel auch für Wilhelmshaven neu bearbeitete und einrichtete (Rudolf Plent a.G.), die Darsteller mühelos, verzahnte die Dialoge bruchlos und ausdrucksvoll, erspielte freilich den Bühnenraum nicht immer vorteilhaft und bewegt, vor allem im 2. Akt, wo die Fixierung des Jeppe im freiherrlichen Bett schon vorn Stück her die Variationsmöglichkeiten einengt. Das Ensemble spiegelte harmonisch und bewährt, wie es sich für ein Bühnenjubiläum geziemt, gute Tradition. Der Jeppe (Karl Heinz Herpel) war kräftig; robust und doch mit vielen herzlichen Momenten, so recht der unschuldige "Lütte Bur", der soviel trinkt, weil er sich lieber am Gesang der Vögel freut, musiziert und riemelt als "arbeitet", und die Mieke (Hildegard Steffens) seine fleißige, fürsorgliche Frau, die dem Herrn Baron wegen des fragwürdigen Spaßes mit einem Menschen Verweis erteilt und konsequent und einfallsreich in allen Situationen aus Liebe zu ihrem Mann steht.

Es ist bemerkenswert, daß in der Inszenierung die Partien, in denen Schurek von der dänischen Vorlage, Holbergs 1722 uraufgeführten Komödie "Jeppe vom Berge", mit der Anerkennung der menschlichen Schwächen und der menschlichen Würde abweicht, am stärksten sind und am meisten anrühren, nicht nur bei dem Bauernpaar, sondern auch bei den Hofleuten, dem Baron (Günther Boye), dem Inspektor (Kurt Röthel) und dem Diener Hein (Horst Jönck), die sich im übrigen differenzierter hätten abstufen lassen. Die Zofe Anna (Wilma Weite) hätte etwas mehr Kammerkätzchen Flinkheit vorhalten können; sie war, wie auch die Regie insgesamt, im 1. Akt am lebendigsten. Der Kröger schließlich (Wilhelm Pick) wurde durchgehend ausgewogen als lustig listige "Type" geboten.

Zusammengefaßt: die Wilhelmshavener Bühne, die im Laufe ihres 50jährigen Bestehens manchen Schwierigkeiten (etwa im Dritten Reich, im Nachkriegsaufbau und in der gegenwärtigen Rezession) zum Trotz solide niederdeutsche Theaterarbeit bot, lieferte eine nahtlose Jubiläumsaufführung; die Wiedergabe durch das Fernsehen ist ihr sicher und damit die Teilhabe, die sie bei ihrem Publikum im Jaderaum erspielt, im größeren Rahmen der Fernsehzuschauer.

Mieke (Hildegard Steffens, re) sucht ihren Jeppe - der Inspektor (Kurt Röthel, re), die Kammerzofe Anna (Wilma Welte, Hein der Kammerdiener (Horst Jönck) und der Baron (Günter Boye) tun so, als wüssten Sie von nichts

Die FERNSEHKRITIK

Trauriges Beispiel

Die Komödie "Jeppe in´t Paradies" im Dritten

Eine Komödie von Paul Schurek aus der Niederdeutschen Bühne Wilhelmshaven bekomme man jetzt zu sehen, verkündete die Ansagerin. Punkt. Kein Wort darüber, daß der eigentliche Verfasser des Stücks der dänische Nationaldichter Ludwig Holberg ist und daß es seine Uraufführung schon 1722 hatte. Schurek, gestorben 1962, einer der erfolgreichsten plattdeutschen Autoren hat es in den fünfziger Jahren lediglich bearbeitet und die Art, wie es geschah, sowie die Tatsache, daß das Stück heute noch aufgeführt wird, wirft ein bezeichnendes Licht auf den noch immer traurigen Zustand der niederdeutschen Bühnenliteratur.

Holberg hat seinerzeit eine konservative Satire geschrieben, die in der Warnung vor der Tyrannei gipfelte, die die Bauern errichten würden, kämen sie einmal an die Macht. Unbearbeitet gilt das Stück als heute kaum mehr aufführbar. Schurek aber hat das fragwürdige Kunststück fertiggebracht, es durch Verharmlosung in seiner reaktionären Tendenz noch zu bestätigen. Jeppe, der bei Holberg aus dumpfer Verzweiflung säuft, ist bei ihm "een vergneugten Kerl, de gern een supt".

Seine prügelnde Alte schimpft hier bloß ein bißchen. Als Baron erwacht der trunkene Jeppe nicht, weil sich die Adelsgesellschaft einen Scherz mit ihm machen will, sondern weil ihm durch den Schreck das Saufen abgewöhnt werden soll.

Was bei Holberg noch drin war an Information über das grausam harte Bauernleben zu Anfang des 18. Jahrhunderts, das ist von Schurek zielstrebig zur harmlosen Dorfidylle verniedlicht worden. Der Adelsobrigkeit, ebenfalls platt sprechend für diese Zeit eine unsinnige Vorstellung, wird bestätigt, daß sie ihre Autorität zu Recht ausübt, denn sie weiß wirklich alles besser und hat immer einen Schritt weiter gedacht als die Bauern.

Dazu hat Schurek noch Szenen eingefügt, in denen Jeppe klargemacht wird, daß es sich nicht lohnt, nach Dingen zu greifen, für die ein Bauer nicht geboren ist. Fazit: Der Mensch diene da, wo ihn das Schicksal hingestellt hat, und mucke nicht dagegen auf. Die Pflege von Mundarten ist heute wieder in Schwung gekommen, weil erkannt worden ist, daß die Menschen in ihr Dinge, die sie ganz persönlich betreffen, die zu ihrem engeren Lebenskreis gehören, auch unmittelbarer ausdrücken können als in der zur Abstraktion neigenden Hochsprache.

Dazu gehört ja vieles: Familie, Arbeit, Einsamkeit, Suche nach der Heimat oder ähnliches. In den oberdeutschen Dialekten ist da auch manches geschrieben worden, was etwas über unsere heutige Welt aussagt und darüber hinaus noch literarischen Ansprüchen standhält. Die niederdeutschen Bühnen jedoch scheinen sich nur in seltenen Sternstunden einmal aus den Niederungen primitiver Dorf und Hinterhofklamotten erheben zu können. Schade für die Wilhelmshavener Schauspieler, denn handwerklich war die Aufführung ganz ordentlich. edb.

Hein (Horst Jönck) als Doktor, versucht Jeppe (Karl-Heinz Herpel) zu kurieren...ob´s gelingt?