Niedersächsische Erstaufführung

SCHIPP AHN HABEN

Schauspiel in drei Akten von Konrad Hansen

Inszenierung: Albrecht C. Dennhardt und Arnold Preuß
Bühnenbild Albrecht C. Dennhardt

Bühnenbildbau: Bernhard Bertram, Walter Borraß, Karl-Heinz Goldenstein,
Erwin Hildebrandt, Norbert Ungermann, Klaus Panka
Beleuchtung: Peter Pfaus
Inspizient: Günter Jaedeke
Souffleuse: Berta Brinkhoff
Requisiten: Marga Goldenstein

Rollen und Darsteller
Koptein Brockmann - Klaus Aden
Sien Fro Else - Heidi Rausch
1. Offizier Ahlers - Claus Miehlke
Matroos Janßen - Horst Karstens
Matroos Kruse - Günter Boye
Matroos Kröger - Ralf-Rüdiger Bayer
Matroos Behrens - Manfred Janßen
Matroos Heuer - Günter Jaedeke
Schippsjung Kalli - Thorsten Könnecke
Oberinspektor Lorenzen - Karl-Heinz Schröder
Reporter Kallenbach - Willy Meinert

Brockmann (Klaus Aden) steht vor einer schweren Entscheidung. Ahlers (Claus Miehlke) kann wenig helfen

WILHELMSHAVENER ZEITUNG

Ein Stück um Autorität und Macht

Eine hervorragende Inszenierung der Niederdeutschen Bühne mit "Schipp ahn Haben"

Von Theodor Murken

Die Aufführung des Schauspiels "Schipp ahn Haben" von Konrad Hansen darf das Prädikat für sich in Anspruch nehmen, als eine der besten Inszenierungen der Niederdeutschen Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven bezeichnet zu werden.

Was Albrecht C. Dennhardt a. G. und Bühnenleiter Arnold Preuß auf die Bühne brachten, war nicht nur spannungsgeladen, sondern auch in der Darstellung durch die Mitglieder der Bühne bis ins letzte ausgefeilt und eines guten plattdeutschen Theaters würdig.

Bei der Handlung des Schauspiels geht es um ein brisantes Thema. Einem mit 28 000 in Beton angeblich abgesicherten Nervengasgranaten beladenen Dampfer wird die Durchfahrt durch den Nord Ostsee Kanal und der Aufenthalt in einem Hafen verwehrt. Die Besatzung ist von der Gefährlichkeit der Ladung nicht unterrichtet worden. Es kommt zu einem offenen Konflikt mit dem Kapitän.

Ein Matrose droht, das Schiff in die Luft zu sprengen, stellt ein Ultimatum. Der. Kapitän will seine Autorität bewahren, auch seine Frau kann ihn nicht umstimmen. Wie man sieht, ein ganz "dicker Hund". Konrad Hansen treibt das Geschehen dramatisch auf die Spitze, läßt es aber nicht zu einem Drama kommen. Dennoch läßt die Genehmigung ist inzwischen gekommen der Kapitän das Schiff erst eine Minute nach Ablauf der ultimativen Frist in die Schleuse laufen. So bewahrt er seine Autorität, verliert aber seine Frau, die an der Holtenauer Schleuse von Bord geht und ihn verläßt.

Es dreht sich also in dem Stück um die Frage von Autorität und Macht. Konrad Hansen löst sie nicht, aber er will, wie im Programmheft zu lesen ist, auch nur zum Nachdenken anregen. Das tut er zweifellos. Wenn wir die Inszenierung lobten, ist aber auch festzustellen, daß alle Dartsteller ihr Bestes hergaben. Das läßt sich besonders auch von dem "Moses" der Bühne, einem der jungen Nachwuchsspieler sagen. Thorsten Könnecke spielte als seine erste Rolle den Schiffsjungen (Moses) Kalli und verstand es, der Angst eines jungen Menschen vor dem tödlichen Nervengas Ausdruck zu geben.

Klaus Aden war die schwere Aufgabe zugefallen, den Kapitän Brockmann in der starren Konsequenz seines Autoritätsanspruches wiederzugeben. Auch seiner Frau gegenüber, der Heidi Rausch die Züge des Menschlichen verlieh. Außer dem Schiffsjungen Kalli sind es fünf Matrosen, von denen jeder auf seine Art an der dramatischen Zuspitzung beteiligt ist, allen voran der von Horst Kassens dargestellte Matrose Janssen, der in seinem ausgezeichnet gespielten kämpfersichen Elan den Konflikt auf die Spitze treibt.

Kalli, der Schiffsjunge (Thorsten Könnecke) hat Angst, der Matrose (Günter Boye) auch?

Bühnenbild von Albrecht C. Dennhardt

Ein wirkungsvoller Gegensatz zu ihm Günther Boye als der trotz seiner inneren Angst ruhige und bedachtsame Matrose Kruse. Zwischen ihnen, als erster zu nennen, Manfred Janßen als Matrose Kröger, der die Erregung zu dämpfen und die Tat des Matrosen Janssen gemeinsam mit den Matrosen Kröger (Ralf Rüdiger Bayer) und Heuer (Günter Jaedeke) zu verhindern versucht. Darum bemüht sich auch der Erste Offizier Ahlers (Claus Miehlke), indem er den Kapitän von seiner starren Haltung abbringen will, aber auf harte Ablehnung stößt. Dann gehören zu den Darstellern noch Karl Heinz Schröder, der als Oberinspektor beim Wasser und Schiffahrtsamt Kiel im ersten Akt zu denen gehört, die das dramatische Geschehen gleichsam einleiten, wie auch Wilfried Meinert als Reporter Kallenbach bei seinen Recherchen hart mit dem Kapitän zusammenstößt.

Alles Geschehen spielt sich ab .vor einem von Albrecht C. Dennhardt entworfenen, von einem Team unter Leitung von Klaus Panke gefertigten Bühnenbild, für das Marga Goldenstein die zu einem Schiff gehörenden Requisiten zusammen stellte. Der Beifall am Schluß war hörbarer Ausdruck des starken Eindrucks, dieser Aufführung.


Brockmann glaubt alles im Griff zu haben.... (v.l. Heidi Rausch, Klaus Aden, Claus Miehlke, Karl-Heinz Schröder, Willy Meinert

Jeversches Wochenblatt

"De op een Pulverfatt sitt, schall nich mit de Zündschnuur spelen"

Niederdeutsche Bühne begeistert mit Schauspiel "Schipp ahn Haben"

von Jutta Schmidt

Wilhelmshaven. An einem außergewöhnlichen Tag eine außergewöhnliche Aufführung versprach die Niederdeutsche Bühne am Montagabend im Stadttheater Wilhelmshaven und hielt Wort. Mit ihrer zweiten Inszenierung "Schipp ahn Haben" stand ein ernstes Schauspiel auf dem Progranun. Ein Stück, das zum Nachdenken anregen sollte, der Inhalt ein Thema, das uns alle angeht.

Ein Schiff liegt in der Kieler Förde vor Anker. Eine Weiterfahrt wurde von der Behörde untersagt, und das Einlaufen in den Hafen verboten. Die Besatzung weiß nicht, warum das Schiff vor Anker liegt. Der Kapitän weicht ihren Fragen aus, denn unten im Laderaum des Schiffes haust der Tod

28 000 Nervengasgranaten aus dem zweiten Weltkrieg, einzementiert in dicken Beton, sollen im Atlantik versenkt werden. Eine Ladung, die ganz Kiel und Umgebung vernichten könnte, und der Kapitän schweigt. Doch dann komrrit der Reporter Kallenbach (Wilfried Meinert) an Bord, und Schiffsjunge Kalli erfährt die schreckliche Wahrheit. Und schließlich kommt es zum Konflikt innerhalb der Mannschaft und mit dem Kapitän.

"De op een Pulverfatt sitt, schall nich mit de Zündschnuur spelen nich mal in Gedanken, sagt Matrose Kruse am Anfang des zweiten Aktes, als der Mannschaft langsambewußt wird,welcher tödlichen Gefahr sie ausgesetzt ist. Nachdem sie den Kapitän vergebens darum bitten von Bord gehen zu dürfen, und Matrose Janßen dann eine Zündschnur in den Händen hat, erhält das Schauspiel seinen dramatischen Höhepunkt.

Das ganze Schauspiel hier ausführlich zu berichten, würde der Aufführung die ganze Spannung nehmen, die vom Anfang bis zum Ende wie eine drückende Last im Zuschauerraum schwebt. Allen voran ist es die Neubesetzung Thorsten Könnecke, der durch seine hervorragende schauspielerische Darstellung die Angste des Schiffsjungen Kalli meisterhaft dem Publikum nahe bringt. In seiner jugendlichen Verzweifelung greift er den Altmatrosen Kruse (Günter Boye) an, Kruse hätte doch seine besten Jahre hinter sich, aber er sei doch noch zu jung zu sterben. Kiese wehrt sich gegen diese Behauptung. Seine besten Jahre, wann waren die? Im Krieg, oder später in den Aufbaujahren oder hat er sie noch vor sich? Die Hoffnung, die dürfe man nie aufgeben. Gespenster meint Kruse. Gespenster, fragt Kalli, Achtuntwintigdusen Nervengasgranaten, sünd dat Gespenster . . .?

Und die ganze Hoffnung liegt bei Kapitän Brockmann, würdevoll dargestellt von Klaus Aden, der stur auf seine Sicherheitsvorschriften pocht und an die er sich hält, Punkt für Punkt. Er weicht keinen Schritt zur Seite. Menschliche Gefühle sind für ihn ein Fremdwort, selbst dann, als das Leben von Tausenden von Menschen in seinen Händen liegt. Seine Autorität verbietet ihn nachzugeben.

Atemlose Stille liegt nach dem Schlußvorhang im Zuschauerraum, bis schließlich langanhaltender Beifall die Stille zerreißt. Beifall für eine Aufführung, die von der Niederdeutschen Bühne hervorragend gemeistert wurde. Deren Spannung und menschlische Reaktionen in einer fast ausweglosen Lage den Zuschauer beeindruckte. Aber auch Beifall für die hervorragenden schauspielerischen Leistungen der Darsteller, für Heidi Rausch als Frau Brockmann, für Claus Miehlke als Erster Offizier, für Horst Karstens als Matrose Janßen, für Ralf Rüdiger Bayer als Matrose Kröger, für Günter Jaedeke als Matrose Heuer, für Manfred Janßen als Matrose Behrens und Karl Heinz Schröder als Oberinspektor Lorenzen.

Mit dieser Aufführung bewirbt sich die Niederdeutsche Bühne um den 1988 zu vergebenen Preis der Lübecker Nachrichten. Verdient hätten sie ihn, was das Publikum mit seinen langanhalten den Applaus bewies. Die nächsten Aufführunge dieses spannenden Schauspie' sind am 8., 13., 15. und 22. November, sowie am 5. Dezember um 20 Uhr im Stadttheater, und am 12. November in Sande.

Explosive Stimmung auch in den Mannschaftsquatieren - v.l. Claus Miehlke, Günter Boye, Horst Karstens, Manfred Janssen, Klaus Aden, Ralf-Rüdiger Beyer