Niederdeutsche Erstaufführung
Festaufführung anläßlich des Großen Gemeinsamen Bühnentages

DE HERR PUNTILA UN SIEN KNECHT MATTI

(Der Herr Puntila und sein Knecht Matti)
Volksstück von Bertolt Brecht
Niederdeutsch bearbeitet und übersetzt von Arnold Preuß

Inszenierung: Georg Immelmann
Bühne: Ann-Kathrin Hillebrand
Kostüme: Ingrid Lause
Regieassistent: Willy Meinert
Musik: Martin Lingnau

Bühnenbau: Klaus Panka, Bernhard und Peter Bertram, Walter Borraß, Erwin Hildebrandt, Karl-Heinz Goldenstein, Uwe Rozga
Bühnenmaler: Herbert Ulbrich
Beleuchtung: Peter Pfaus
Inspizient: Michael Müller
Souffleuse: Roswitha Bertz
Requisiten: Marga Goldenstein

Rollen und Darsteller
Johannes Puntila, Grootbuur - Klaus Aden
Eva Puntila, sien Dochter - Christine Fein
Matti Altonen, sien Fahrer - Arnold Preuß
De Ober - Michael Müller
Frederik, de Richter - Günter Boye
Eino Silakka, de Attache - Manfred Janßens
De Veehdokter - Horst Karstens
Emma Takinainen, de Smuggleremma - Brigitte Halbekath
Manda, de Afthekerdeern - Karin Heyel
Lisu Jakkara, de Kohdeern - Wilma Welte
Sandra, de Telefonistin - Margot Andrews-Jäkel
Een Arbeitsmann - Claus Miehlke
De Mickrige - Günter Jaedeke
De roode Surkalla - Ralf-Rüdiger Bayer
Laina, de Kööksch - Frieda Harms
Fina, de Stuvendeern - Antje Thomsen
Pekka, de Afkaat - Wilfried Pampuch
Anna, de Pröbstin - Herta Tapken
De Probst - Karl-Heinz Schröder
Kinner - Sandra Gechter, Björn Pampuch, Matthias Welte
Wooldarbeitslüüd - Lüüd van us Technik

Puntila (Klaus Aden) und Matti (Arnold Preuß) beim Besteigen des Hatalmaberges

WILHELMSHAVENER ZEITUNG von 3. April 1989

Das Niederdeutsche gibt Brechts Puntila große Wahrhaftigkeit

Wilhelmshavens Niederdeutsche Bühne setzte neuen Maßstab

von Barbara Schwarz

Sie hat sich an einen hohen Berg gewagt, eine über 20köpfige Seilschaft der Niederdeutschen Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven: die Erstbesteigung des Hatelmaberges des Herrn Puntila. Aber unter Leitung eines erfahrenen Bergführers, Georg Immelmann, hat die niederdeutsche Truppe den Gipfel erreicht. Das von Immelmann angeregte Wagnis, Brechts Volksstück "Herrn Puntila und sein Knecht Matti" ins Plattdeutsche zu übertragen und zu spielen, ist glänzend gelungen. Bei der schwierigen Erstbesteigung ist um im Bild zu bleiben niemand abgestürzt. Im Gegenteil. Das nach der "Dreigroschenoper" meistgespielte Stück Brechts gewinnt im Niederdeutschen an Wahrhaftigkeit.

Der Brechtschen Kunstsprache ist durch die Übertragung ins Niederdeutsche durch Arnold Preuß eine Plastizität und Ausdruckskraft, eine Sprachschönheit und Poesie zugewachsen, die diesem künstlichen Volksstück Authentizität verleiht. Preuß hat mit großer Sprachbegabung und feinem Gefühl für Nuancen hier für die niederdeutschen Bühnen ein Stück erschlossen, das spielbar ist und beim Publikum auch ankommt.

Damit die Aufführung gelingt, bedarf es allerdings der sicheren Hand eines erfahrenen Schauspielregisseurs wie Immelmann, der auch die notwendige dramaturgische Erfahrung mitbringt. So verzichtete Immelmann weise nicht nur auf die finnischen Erzählungen, die auch mancher Profi Truppe schon peinlich daneben gerieten, sondern auch auf den Gesindemarkt, der das Stück unnötig in die Länge zieht. Immelmann konzentriert das Spiel auf die Fabel. Und das bekam der Aufführung sehr.

In betont ruhigem Erzählrhythmus wurde das Stück ausgebreitet und "pralles" Volkstheater auf Teufel komm raus sorgsam vermieden. Puntila und sein Knecht Matti wurden zu wahrhaftigen niederdeutschen Figuren. Klaus Aden gelingt es, die Proportionen zwischen dem betrunkenen liebenswerten Puntila und dem nüchternen bösen so in der Waage zu halten, daß beide Hälften seiner gespaltenen Persönlichkeit glaubhaft erscheinen. Arnold Preuß gibt der Figur des überlegenen Gegenspielers Matti eine in sich ruhende Sicherheit. Er ist nicht der glatte ehrgeizige Aufsteiger, als der Matti heute gern gezeigt wird, sondern ein Mann mit Wurzeln, die fest im Boden stecken und aus denen er seine Kraft zieht. Auch die Kraft, auf Puntilas attraktive Tochter Eva zu verzichten, die Christiane Fein wirklich fein und frisch spielt.

Überzeugend und sehr präsent Wilma Welte, die als Kuhmagd agiert, den Prolog spricht und in den kurzen Umbaupausen das Puntila Lied Paus Dessaus singt (am Piano Martin Lingnau). Es wurde entgegen einer üblich gewordenen Praxis glücklicherweise ebenso wenig gestrichen, wie die Ballade vom Förster und der Gräfin, die Immelmann dem Darsteller des roten Surkkala Ralf Rüdiger Bayer zuteilte. Auch Günter Boye als trunkener Richter, Manfred Janßen als affiger Attache und das Bräute-Quartett außer Wilma Welte noch Brigitte Halbekath als Smuggleremma, Karin Heyel als Afthekerdeern und Margot Andrews Jäkel als Telefonistin überzeugen.

Frieda Harms als wackere Kööksch, Antje Thomsen aus resche Stubendeern, Karl Heinz Schröder und Herta Tapken als spießiges ProbstPaar, Wilfried Pampuch als aalglatter Afkaat, Günter Jaedecke als Mickriger, Michael Müller als Ober, Horst Karstens als Veehdoktor, Klaus Mielke als Arbeitsmann und die Kinder Sandra Gechter, Björn Pampuch und Matthias Welte geben dem Spiel Farbe. Ästhetisch schön und praktisch zugleich das Bühnenbild von Ann Christin Hillbrand mit seinem Birkenwald und den weißen Nesselwänden samt "Brecht Gardine". Ansehnlich die stimmigen Kostüme von Ingrid Lause.

Die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven hat sich mit dieser Aufführung selber neue Maßstabe gesetzt.

Die Pröbstin (Herta Tapken), der Richter (Günter Boye) und Eva (Christine Fein)

NORDWEST-ZEITUNG

Gastgeber setzten Maßstäbe

Niederdeutsche Theatertage in Wilhelmshaven

von Ulrich G. Fischer

Wilhelmshaven. Dreh und Angelpunkt der Niederdeutschen Tage 1989 war die Aufführung der Gastgeber, der Niederdeutschen Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven. Das lag vor allem an der Stückwahl: Die Wilhelmshavener spielten Bertolt Brechts Volksstück "Herr Puntila und sein Knecht Matti''. Das Werk hat einen herausragenden Platz in der europäischen Theaterliteratur. Brecht schrieb 1940 im Exil: "Das Volksstück ist für gewöhnlich krudes und anspruchsloses Theater... ;da gibt es derbe Späße, gemischt mit Rührseligkeiten; da ist hanebüchene Moral und billige Sexualität. Die Bösen werden bestraft, und die Guten werden geheiratet; die Fleißigen machen eine Erbschaft, und die Faulen haben das Nachsehen."

Mit dieser Art Volksstück wollte Brecht gründlich aufräumen. sagte, Volksstücke müßten im Zeitalter der Demokratie, in dem ja das Volk der Souverän ist, allererstes Theater sein. Die Wilhelmshavener haben bewiesen, daß es tatsächlich geht, nicht nur bei den Profis, auch bei den Laien. Arnold Preuß von der Niederdeutschen Bühne Wilhelmshaven hat Brechts Volksstück in prachtvolles Platt übersetzt, und es gibt Augenblicke, in denen die niederdeutsche Aufführung besser ist als hochdeutsche Profiaufführungen, vor allem, wenn Puntila in seinen Anfällen von Nüchternheit, seinen Knecht anherrscht. Das Niederdeutsche ist da so rücksichtslos klar, daß Brecht vermutlich begeistert gewesen wäre, wie die Klassenunterschiede, auf die es ihm ankam, zur Sprache und zur Anschauung kommen. Die Mundart als Volkssprache aufzufassen, liegt ja nahe.

Das sollte man zumindest meinen. Doch die grundlegende dramaturgische Überlegung, welches Stück, welches Personal sich für das Niederdeutsche eignet, ließen alle anderen drei Bühnen, die in Wilhelmshaven gastierten, außer acht. Fast allen Figuren fehlte die innere Notwendigkeit, Niederdeutsch zu sprechen: Das war bei den von der Niederdeutschen Bühne Braunschweig aufgeführten "Valentinen" der Fall, bei "De Weg in'n Paradies" von Ina Nicolai, dem Gastspiel aus Kiel, und im Krimi von Knut Leers und Alfred Mayer, "Well har dar mit rekent?" von der Niederdeutschen Bühne Wiesmoor. Das Personal der letzten beiden Stücke war überwiegend mittelständisch geprägt. Es wirkte völlig unmotiviert, daß solche Bühnenfiguren platt, wahrscheinlicher, daß sie hochdeutsch sprechen. Diese dramaturgische Unbeholfenheit wird flankiert von Regisseuren und Bühnbenbildnern, die ihr Ideal in glatter Oberfläche suchen.

Nur bei den Schauspielern treten Naturtalente hervor. Berendine Niemeyer von der Niederdeutschen Bühne Wiesmoor übrwältigt mit ihrer Begabung fürs Komische und riß das Publikum immer wieder zu Szenenbeifall hin. Angesichts der krassen Leistungsunterschiede ergibt sich ein klares Resümee: Mit der Aufführung von Brechts "Herr Puintila im sien Knecht Matti" hat die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven Maßstäbe gesetzt, die Laientheater in den Küstenländern künftig nicht ignorieren dürften. Es könnte ihnen sonst zu recht vorgeworfen werden, sie fielen hinter einmal erreichte Standards zurück.

Matti (Arnold Preuß) prüft Eva (Christine Fein) - es schauen zu - Karl-Heinz Schröder, Anke Thomsen, Klaus Aden, Frieda Harms, Herta Tapken (verdeckt) und Günter Boye

JEVERSCHES WOCHENBLATT vom 5. April 1989

Brechts "Puntila" wurde ein großer Erfolg

Niederdeutsche Bühne spielte meisterhafte Übersetzung ins Plattdeutsche von A. Preuß

Wilhelmshaven. Als Georg Immelmann, Intendant der Landesbühne Niedersachsen Nord, vor eineinhalb Jahren Bühnenleiter Arnold Preuß von der Niederdeutschen Bühne Wilhelmshaven, den Vorschlag unterbreitete, den "Puntila" von Bertolt Brecht auf Platt zu spielen, hatte Preuß doch einige Zweifel, ob so ein Werk für das Niederdeutsche verwendbar ist.

Nachdem er die Geschichte von "Herrn Puntila und sein Knecht Matti" gelesen hatte, war der Bühnenleiter so begeistert, daß er sich daran machte, dieses Volksstück, das in Finnland entstand und spielt, ins Niederdeutsche übersetzte. Damit vollbrachte Arnold Preuß ein Meisterwerk der Übersetzung und ein Stück für anspruchsvolles Theater.

Und so konnten die Niederdeutschen am Sonnabend abend mit der Uraufführung und der Premiere von "De Herr Puntila un sien Knecht Matti" einen großen Erfolg verbuchen. Mit über 20 Darstellern gelang es der Niederdeutschen Bühne, für sich ganz neue Maßstäbe zu setzen, die weit über das übliche plattdeutsche Theater hinausgehen.

Regisseur Georg Immelmann hat die Geschichte von "Herrn Puntila" in neun Abschnitten inszeniert. Gespielt wird ein Stück, das einen Mann darstellt, der in betrunkenen Zustand sich gleich mit vier Frauen auf einmal verlobt, der seinem Fahrer Matti seine Tochter statt dem Attache zur Frau geben will und der, sobald er wieder nüchtern wird, sich in einen zähzornigen und brutalen Mann verwandelt.

Daß das Stück aus dem Finnischen kommt, merkt man der Übersetzung in keiner Weise an. Preuß' Darstellung der Volkskomödie läßt den Herrn Puntila vollkommen "niederdeutsch" erscheinen.

Für diese erfolgreiche Uraufführung waren aber nicht nur die gelungene Übersetzung und der Regisseur zuständig, sondern vor allem waren es auch die Darsteller mit ihren schauspielerischen Leistungen, die der Aufführung zum Erfolg verhalf. Klaus Adens Darstellung des in seinem Gemüt schwankenden Großbauern Puntila wirkte sehr überzeugend. Ebenso Arnold Preuß,der den Fahrer Matti spielte, beeindruckte in seiner Rolle, in der es darum ging, dem Puntila zu beweisen, daß er nicht mit sich herumspringen läßt wie das andere Gesinde. Die Rolle der PuntilaTochter Eva wurde von Christiane Fein in sehr natürlicher Weise dargestellt. Aber auch Manfred Janßen glänzte in seiner Rolle als hochnäsiger Attacheund ist es wert, aus der großen Schar der Darsteller besonders erwähnt zu werden.

Auch Wilma Welte sollte nicht unbeachtet bleiben, sie spielte die Rolle der Kuhmagd und war nicht nur für den Prolog zuständig, sondern sang während der kurzen Umbaupausen auch das "Puntilalied". Außerdem war sie für den Vorhang zuständig und spielte nebenbei noch die Verlobte von Puntila. Sie war wohl die Meistbeschäftigte bei dieser Aufführung. Der langanhaltende Beifall am Schluß der Aufführung jedoch war für das gesamte Ensemble der Niederdeutsche Bühne. Dies waren Michael Müller, Günter Boye, Horst Karstens, Brigitte Halbekath, Karin Heyel, Margot AndrewsJäkel, Claus Miehlke, Günter Jaedeke, Ralf Rüdiger Bayer, Frieda Harms, Antje Thomsen, Wilfried Pampuch, Karlheinz Schröder. Herta Tapken und die Kinder Sandra Gechter, Björn Pampuch, Matthias Welte. Jeder Einzelne an seinem Platz machte es möglich, daß dem Publikum Literatur in Form eines Volksstückes nahegebracht wurde, das ansonsten nur dem hochdeutschen Theater vorbehalten ist.

Die Bühne, die nach dem Bühnenbild von Ann Cchristin Hillbrand entstand, bot mit den weißen Birken und den vielen weißen Tüchern einen eindrucksvollen Hintergrund für diese Aufführung.


Sie treffen sich heimlich vor der Sauna - Matti (Arnold Preuß) und Eve (Christine Fein)