2. Platz beim Willy - Beutz - Schauspielpreis
Wilhelmshavener Erstaufführung
MUDDER MEWS
Schauspiel in fünf Akten von Fritz Stavenhagen
Bearbeitung von Günther Siegmund
Inszenierung: Horst Jönck
Bühnenbild: Horst Jönck
Beleuchtung: Peter Pfaus
Requisiten: Marga Goldenstein
Inspizientin: Helga Borraß
Souffleuse: Annchen Warrings-Konken
Bühnenbildbau: Walter Borraß, Erwin Hildebrandt, Karl-Heinz Goldenstein, Frank Schmidt, Günter Neverla, Klaus Panka
Bühnenmaler: Herbert Ulbrich
Rollen und Darsteller
Mudder Mews - Rika Jung
Willem Mews, Seefischer - Wilfried Pampuch
Hugo Mews, Fischerknecht - Jürgen Tapken
Lisbeth Nibbe geb. Mews - Wilma Welte
Elsbe Mews - Marion Zomerland
Lütt Hein - Björn Pampuch
Kinner - Bianka Vogt, Karin Gerdes,
Heike Lauermann, Kai Lauermann, Britta Pampuch, Matthias Welte und Meike Zomerland.
Mudder Mews - hartherzig, aber ausdrucksstark (Rika Jung in der Titelrolle)
JEVERSCHES WOCHENBLATT
Begeisterter Applaus für die Niederdeutschen
Rika Jung und Marion Zomerland hervorragende Darsteller bei "Mudder Mews"
von Jutta Schmidt
Wilhelmshaven. Eine eindrucksvolle und zu Herzen gehende Aufführung sahen am Freitagabend die Zuschauer der Niederdeutschen Bühne Wilhelmshaven. Für eine hervorragende Darstellung des Dramas "Mudder Mews" erhielten die Niederdeutschen langanhaltenden Schlußapplaus. Neben einer ausgezeichneten Rika Jung als Mudder Mews erlebte das Publikum eine beeindruckende Marion Zomerland in der Rolle der Elsbe.
Als Fritz Stavenhagen "Mudder Mews" zu Papier brachte, schrieb man das Jahr 1903. Die Tragödie in fünf Akten ist ganz und gar realistisch, denn die Finkenwarder Umwelt war dem Dichter von seinem früheren Aufenthalt auf der Elbinsel vertraut. Die Figur der Mudder Mews hatte er dort selber erlebt. Auch Mutter und Schwester haben dem Dichter mit den kleinen häuslichen Streitigkeiten bei diesem hochkarätigen Schauspiel Modell gestanden.
Als am 10. Dezember 1904 die Uraufführung von "Mudder Mews" stattfand, war der Autor bereits schwer krank. Das Stück wurde zwar kein großer Erfolg, brachte dem Schreiber aber doch einen materiellen Gewinn und lange Zeitungsberichte machten Stavenhagen berühmt. Man forderte mehr von ihm, das Blatt schien sich zu wenden. Zu spät. Am 9. Mai 1906 starb Fritz Stavenhagen im Alter von 29 Jahren. Was er zurück läßt sind nur ein paar wenige Stücke und das wohl beste Niederdeutsche Drama, das spannende Schauspiel "Mudder Mews".
Auch heute, 85 Jahre nach der Uraufführung, ist das Thema des Stückes noch so aktuell wie zur Zeit der Entstehung. Jung und alt unter einem Dach, daß verträgt sich nicht, sagt man und der heutige Wohlstand macht es auch fast nicht mehr erforderlich. Doch früher war es ganz normal, daß die Alten und die Jungen zusammenlebten, was nicht ohne Reibereien blieb. Besonders schwer hatten es dann die jungen Frauen mit ihren Schwiegermüttern.
Elsbe ist eine dieser Frauen, die mit ihrer Schwiegermutter zusammen leben muß, während ihr Mann Willem und dessen Bruder Hugo, der auch bei ihnen wohnt, die meiste Zeit auf See sind. So sind Elsbe und ihre Kinder den Schikanen der vom Schicksal verbitterten "Mudder Mews" schutzlos ausgeliefert. Still erleidet Elsbe ihr Los bis "Mudder Mews" auch noch ihre Ehre angreift und behauptet, ihre Kinder seien nicht von Willem. Verzweifelt kämpft Elsbe gegen ihre Schwiegermutter und.verliert, weil ihr Mann das ganze Ausmaß der Tragödie nicht begreift. Immer wieder nimmt er seine Mutter in Schutz, bis Elsbe ihn vor die Wahl stellt: entweder Mutter oder sie. Doch Willem bleibt bei seinem Entschluß, Mutter bleibt. Und so gibt es für Elsbe nur einen einzigen Ausweg.
Wie sehr sich die Darsteller mit den einzelnen Rollen auseindersetzten und wie stark sie die spielenden Personen verkörperten, konnte man am Schluß der Aufführung sehen. Ihre Gesichter wirkten erschöpft von der zweifellos anspruchsvollen Aufführung. Die Traumrolle der "Mudder Mews" wurde von Rika Jung in hervorragender Weise dargestellt. Obwohl es schwer ist, die sonst so humorvolle Spielerin, mit einer so verbitterten Frau zu identifizieren, meisterte Rika Jung die durch diese Rolle an sie gestellten Anforderungen mit großem schauspielerischem Talent. Die Rolle förmlich auf den Leib geschrieben wurde Marion Zomerland. Sie spielte die leidende von der Schwiegermutter tyrannisierte Elsbe mit einer solchen Perfektion, daß man förmlich mit ihr litt. Ihre verzweifelten Kämpfe um den Fortgang der Mudder Mews aus dem Hause ihres Mannes forderten von Marion Zomerland viel Kraft für diese Rolle.
Mit Jürgen Tapken als Schwager Hugo Mews hatte sie einen ebenso eindrucksvollen Partner an ihrer Seite, der sie nicht nur heimlich liebt, sondern von der Mutter ebenso abwertend behandelt wird. Der einzige, der Elsbe hätte helfen können, wäre ihr Mann Willem, verkörpert von Wilfried Pampuch. Doch der sieht nicht wie Elsbe leidet, versteht nicht warum sie so verstört ist bis es schließlich zur Tragödie kommt. Weitere Darsteller waren Lisbeth Mews (Wilma Welte) als temperamentvolle Schwester von W llem und Hugo sowie Lütt Hein (Björn Papuch) als Sohn von Elsbe und Willem und die Kinder Bianka Vogt, Karin Gerdes, Heike Lauermann, Kai Lauermann, Britta Papmuch, Matthias Welte.
Elsbe (Marion Zomerland) wurde von Hugo (Jügen Tapken) aus dem Wasser gezogen, Willem (Wilfried Pampuch) ist stumm vor Entsetzen
WILHELMSHAVENER ZEITUNG
Ein altes Drama wurde wiedererweckt
Die Niederdeutsche Bühne brachte erstmalig Stavenhagens "Mudder Mews"
Von Theodor Murken
Horst Jönck inszenierte für die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven zum ersten Male in ihrer fast 60jährigen Geschichte das Drama "Mudder Mews" von Fritz Stavenhagen. 1903 geschrieben, 1905 uraufgeführt, 1920 von Hamburgs Niederdeutschen Bühne Dr. Richard Ohnsorgs erstmals, 1922 von einer plattdeutschen Berufsbühne nochmals in Wilhelmshaven gespielt, hat das Stück in der Bearbeitung von Günther Siegmund nun jetzt eine eindrucksvolle Auferstehung erlebt. Fritz Stavenhagen, 1876 in Hamburg geboren, in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und schon 1906 im Alter von 29 Jahren einem ererbeten Gallenleiden erlegen, schrieb dieses, sein bestes Stück, in der Zeit des "konsequenten Naturalismus". Gerhart Hauptmann, Hermann Sudermann, Henrik Ibsen, August Strindberg waren die Favoriten des Theaters. Stavenhagen war der erste der niederdeutschen Dichter, der sich hier einreihte.
Das dramatische Geschehen in einem Finkenwärder Fischerhaus, das er in "Mudder Mews" mit äußerster Konzentration und suggestiver Kraft ablaufen läßt, ist nicht das Wesentliche des Stückes. Viel mehr ist es die Zeichnung der Menschen, ihrer Charaktere, ihres Denkens und Fühlens. Tiefgreifend sind die Konflikte in der Fischerfamilie mit der durch hartes Leben verbitterten alten Frau, die nach ihren Worten "so vööl dörmaken" mußte und durch ihre ständige Kritik, Sticheleien und Nörgeleien bis hin zu schweren Verdächtigungen gegenüber ihrer als Hausfrau allerdings nachlässigen Schwiegertochter große Schuld aufhäuft, in die auch der Ehemann verstrickt wird.
Die sechs Darsteller standen. vor einer schweren Aufgabe. Horst Jönck brachte als Speelbas alles in das rechte Lot. Rika Jung gab der Titelrolle der alten Frau nicht nur die richtige Statur, sondern machte auch ihre tiefe Tragik deutlich. Auch Marion Zomerland hatte sich in die Rolle der jungen Schwiegertochter Elsbe hineingelebt. Sie zerbricht unter den gegen sie anstürmenden Anschuldigungen und sucht den Tod. Schuld allein empfinden die beiden Brüder Willem und Hugo Mews. Den Seefischer Willem Mews, dem Wilfried Pampuch echte Züge gab, hat seine Schwäche schuldig gemacht. Er stellte sich nicht schützend vor seine junge Frau. Daß Willems jüngerer Bruder Hugo durch den Tod seiner von ihm verehrten Schwägerin zum Trinker wird und innerlich zerbrechen mußte, konnte Jürgen Tapken recht lebensecht verkörpern.
Im Ablauf des dramatischen Geschehens gibt es auch einige erheiternde Szenen. Dabei steckte z. B. Wilma Welte in der Rolle der Lisbeth Nigge, geborenen Mews. Plattdeutsch aufgewachsen, ist sie in Hamburg verstädtert und spricht nur noch hier fremdartig wirkendes Hochdeutsch. Das macht sie meisterhaft, es gleicht einem unermüdlich plätschernden Wasserfall. Zu den Darstellern zählen schließlich noch sieben linder, die am Martinstag singend von Tür zu Tür ziehen. Mit ihnen auch Björn Pampuch als LüttHein, der seine Rolle recht unbefangen spielte. Das zünftig ausgestattete Bühnenbild mit dem Blick auf die Elbe erhellte ein weinig die "Hebbelsche Düsternis" des Geschehens.
Lisbeth (Wilma Welte), die einzige, die sich aus den Klauen der Mutter befreien konnte, oder doch nicht???