De Diekrichter (WE)
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- Kategorie: Archiv
- Veröffentlicht: Donnerstag, 15. Oktober 2009 17:26
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Wilhelmshavener Erstaufführung
DE DIEKRICHTER
Niederdeutsches Schauspiel in vier Akten von Albrecht Janßen
Inszenierung: Willi Minauf
Bühnenbild: Hannes Kaebe
Inspizientin: Maria Siebels
Souffleuse: Elisabeth Stammereilers
Beleuchtung: Hugo Kacmierczak
Rollen und Darsteller
Edzard Agena, Bauer und später Deichrichter - Willy Beutz
Hilke Heyen, seine Frau - Ellen Beutz
Haiko Agena, sein Bruder - Hans Macker
Die alte Mutter - Annemarie Beermann
Dirk Tammling, alter Großknecht - Willi Minauf
Teetje Teetens, alte Großmagd - Therese Peters
Hajo Hajunga - Heinrich Frese
Ulfert Ulferts - Emil Meinen
Kasjen van Kothen - Walter Hinrichs
Jan, Deichwache - Heino Aden
Klaas, Deichwache - Werner Helfer
Harm, Deichwache - Heinrich Hinrichs
Ein Kleinknecht - Klaus Aden
Annemarie Beermann und Willy Beutz als alte Mutter und Edzard Agena - eine Szene aus "De Diekrichter"; Spielzeit 19955/56 -
Der Deich ist heilig für alle Zeiten
Albrecht Janssens Schauspiel "De Diekrichter" hinterließ im Stadttheater nachhaltigen Eindruck
Der aus Bingum stammende ostfriesisehe Dichter Albrecht Janßen (geb. 8.Januar 1886) hat mit seinern Schauspiel "De Dickrichter" der plattdeutschen Bühnenbewegung einStück gegeben, das immer wieder auf denn Spielplan erscheinen wird. Es gehört zu den wenigen ernsten niederdeutschen Bühnenwerken, die in den zwanziger Jahren herauskamen, als das niederdeutsche Spiel noch kräftige Impulse bekam, von denen heute leider nichts mehr zu spüren ist.
Einen großen Teil seines gesamten Schaffens hat Albrecht Janßen der Frage der Landgewinnung an der friesischen Küste gewidmet, denken wir nur an seinen Roman "Das Königreich im Meer", zu dem er durch das neugewonnene Dort Neu-Westeel angeregt wurde, oder an seinen weiteren Roman "Der Deichgraf", an seine Novellensammlung "Das einsame Land". Immer sind es Menschen, deren Wesen und Charakter unmittelbar der ostfriesischen Küstenlandschaft entwachsen sind, die der Dichter in seinen werken lebendig; werden läßt. Davon ist nicht zuletzt sein gestern von der Niederdeutschen Bühne "Rüstringen" nach langer Zeit wieder aufgeführtes Schauspiel "De Dickrichter" ein Beweis.
Der Bruderkampf Edzard (Willy Beutz) gegen Haiko Agena (Hans Macker) - eine Szene aus "De Diekrichter" - Spielzeit 1955/56 -
Willi Minaufs meisterliche Regie brachte eine Aufführung zustande, die wie aus einem Guß gelang. Wenn dieser Künstler selbst auf kleinste Requisiten achtete, so ist das ein Beweis, wie sehr er sich um Stilechtheit bemüht hat. In Willy Beutz stand ein Jungbauer und Deichrichter Edzard Agena auf den Brettern, der diesem unter der Last der Schuld seines Vaters stehenden Mann ein scharf ausgeprägtes Profil gab, ein Mensch, dessen Handlungen und Taten unter dem kategorischen .Imperativ der Pflicht, nach denn alten Wort "De nicht will dicken, rnutt wieken"° stehen. "Ik dwing de Düwel doch!" ist seine Lebensrichtschnur geworden, über der er sogar seine junge Frau vergessen kann.
Willy Beutz spielte diese schwierige Rolle mit der gebotenen klugen Zurückhaltung, aber doch voller Kraft und Ausgeprägtheit. Willi Minaufs Großknecht Dirk Tammling war eine Leistung, die besonderes Lob verdient. Er ist ein wahrer Diener und väterlicher Freund des jungen Hofherrn, fühlt sich mit dem Kreyenhof so verwachsen, als sei er sein eigen. Annemarie Beermann bot in der Rolle der alten Mutter ein überzeugendes Bild einer alten Ostfriesin, die zäh um den Bestand des Hofes ringen mußte, als der Mann im Suff einen unrühmlichen Tod fand. Diese Leirtung bekam den starken Beifall, den sie verdiente.
In Therese Peters sahen wir eine spökenkiekersche Magd, die mit gleicher Intensität in ihre Rolle hineingewachsen war und sie, wie wir es nicht anders von dieser Spielerin gewohnt sind, voll ausschöpfte. Ellen Beutz stand als junge Frau des Deichrichters in der ganzen Hoheit ihres blühendes Frauentums im Spiel, verfällt jedoch bald eiern Verführer und ist Mitschuldige an der Tragödie auf dem Kreyenhof. Dämonisch gab sich Hans Macker als älterer Bruder des Deichrichters, der nach Jahren des Verschollenseins wieder auftaucht und alle Schatten der Vergangenheit wieder heraufbeschwört, bis schließlich das Unglück seinen Lauf nehmen muß. Die restlose Ausfüllung dieser Rolle verdient Anerkennung.
Heinrich .Frese als alter Deichrichter, Emil Meinen und Walter Hinrichs als Deichgeschworene waren prächtige Bauerngestalten, Ebenso ausgeprägt spielten Heino Aden, Werner Helfer und Heinrich Hinrichs als Deichwachen und Klaus Aden als Kleinknecht. Hannes Kaebe stellte in der Bauernstube ein Bühnenbild, das in seiner Echtheit verblüffend wirkte.
Es gab langen und herzlichen Beifall für eine Leistung, auf die alle Mitwirkenden berechtigt stolz sein können.
PRESSESTIMMEN vom 8. November 1955
Niederdeutsche Bühne 'Rüstringen': "De Diekrichter"
Schauspiel in 4 Akten von Albrecht Janssen
Nicht selten hört man die Meinung, für die plattdeutsche Bühne seien die Komödie, die Burleske, überhaupt das Heitere am besten geeignet. Daran ist gewiß etwas Wahres, denn der Besucher plattdeutscher Bühnen erwartet zumeist, daß er sich amüsieren und von Herzen auslachen kann.
Albrecht Janssens niederdeutsches Schauspiel "De Diekrichter", wie es am Sonntagabend unter der Regie von Willi M i n a u f , gespielt von der "Niederdeutschen Bühne Rüstringen" auf den Brettern des Stadttheaters vor einem der plattdeutschen Sprache zugängigem Publikum abrollte, bewies jedoch, daß diese Sprache auch zum Interpreten des menschlich Tragischen werden kann.
Selbst ein Kind der Küste (er ist 1886 an der Ems geboren), kennt der Autor den Kampf des Deutschen gegen die Naturgewalt des Wassers. "De nich will dieken, mutt wieken", das ist der Wahlspruch der Bauern im ostfriesischen Küstenland. Er kennt aber auch die allzu menschlichen Schwächen und die Sorgen um die nackte Existenz dieser Menschen. Er zeigt sie uns auf, die Probleme, wie sie sich immer wiederholen: Das Gute und das Böse, das Verhältnis des Mannes, der seine Aufgabe außerhalb des Hauses sieht, zum Weibe, der Kampf der jungen gegen die alte Generation.
Dierk Tammling (Willi Minauf) und Teetje Teetens (Therese Peters) können das Unglück nicht aufhalten - ein Szenenfoto aus "De Diekrichter" - Spielzeit 1955/56 -
Um den jungen Diekrichter, der die Sünden seines Vaters wieder gutmachen und den "Düwel" draußen und drinnen bekämpfen will, rankt sich das Schicksal von Menschen, die ihm vertrauen. Und gerade er muß zum Kain werden, der den Bruder erschlägt, weil der im Begriff ist, ihm nicht nur sein Weib zu nehmen, sondern auch seinen Lebenswert, den Schutz des Deiches zu gefährden.
Um 1830 spielt das Stück irgendwo zwischen Dollart und Jade. Heute, 125 Jahre später, ist der Kampf mit dem "Blanken Hans" derselbe und es wird in weiteren 125 Jahren noch sein. Das Stück ist gewissermaßen zeitlos und daher spricht es uns heutige Menschen auch an.
Dem Publikum sei deshalb das erste Lob für sein Verhalten am Premierenabend gespendet, da es sich trotz der gedämpften Akustik (wodurch vieles im Saal vom Gesprochenen verlorenging) mustergültig verhielt; aber am Schluß mit dem Beifall nicht kargte.
Die Spieler hatten diesen Beifall wirklich ehrlich verdient. Ganz Bauer und Diekrichter Willy B e u t z , der seine Rolle überzeugend spielte. Leider war Hans Macker als Bruder Haiko diesmal nicht der gleichwertige Partner für die Rolle des Lasterbruders, Tunichtgutes und Frauenverführers; er wirkte zu seriös und daher nicht glaubhaft genug.
Dagegen war Willi M i n a u f ganz in seinem Element als der allzeit ausgleichende und der Gerechtigkeit ein wenig nachhelfende Großknecht. Ihm würdig zur Seite Therese P e t e r s als Großmagd. Gerade sie erforderte besondere schauspielerische Fähigkeiten, ihre Mimik und ihre klare bis auf den letzten Platz hörbare Sprache zeugten von großem Können. Annemarie B e e r m a n n als alte Mutter in der ostfriesischen Tracht der Bauersfrauen und Ellen B e u t z als die junge und liebreizende, in ihrer Ehe aber unbefriedigte Frau des Bauern, entledigten ich ihrer Aufgabe mit großer Getaltungskraft. Ihre beiden Rollen waren neben der des Diekrichters die tragenden, sie wurden prächtig gespielt.
Heinrich F r e s e , Emil Meinen, Valter Hinrichs, Klaus Aden und einige ungenannte Mitspieler verhalfen in ihren Nebenrollen der Aufführung zu einer guten Gesamtwirkung. Hannes K a e b e s Bühnenbild einer ostfriesischen Bauernstube trug dazu ebenfalls nicht unwesentlich bei.