De plietsche Tüffelhannes (NDE)
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- Veröffentlicht: Samstag, 17. Oktober 2009 06:47
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Uraufführung der Niederdeutschen Fassung (22.3.1992)
DE PLIETSCHE TÜFFELHANNES
Komödie in fünf Akten von Arnold Preuß nach Carlo Goldoni
"Der Diener zweier Herren" - "il servitore di due padroni"
Inszenierung: Rudolf Plent
Bühnenbild: Rudolf Plent
Regieassistentin: Roswitha Wunderlich
Bühnenbildbau: Alfred Christoffers, Walter Borraß, Erwin Hildebrandt
Bühnentechnik: Michael Müller, Karl-Heinz Goldenstein, Gesienus Thomas, Günter Newerla, Frank Schmidt, Klaus Panka
Bühnenmaler: Herbert Ulbrich
Beleuchtung: Peter Pfaus, Uwe Freiberg
Inspizientin: Anne Hillers
Souffleuse: Hildegard Steffens
Requisiten: Marga Goldenstein
Rollen und Darsteller
Jakob Pannkoken, en Kramer - Klaus Aden
Klärchen, sein Dochter - Wilma Welte
Afkaat Lienpadd - Horst Jönck
Sibelt, sien Söhn - Wilfried Pampuch
Marie, is ünnerwegens as Junker Frederk van Rotspon - Christine Fein
Junker Ferdinand van Arungen - Jürgen Tapken
Karl Breckholt, Kröger - Horst Karstens
Gerhardina, Klärchens Deenstdeern - Margot Andrews-Jäkel
Tüffelhannes - Arnold Preuß
Een Deensten - Günter Jaedeke
Anner Lüüd - August Desenz (Orgeldreiher), Hildegard Steffens,
Klaus Panka, Anna Hillers
Dina (Margot Andrews-Jäkel) mag Tüffelhannes (Arnold Preuß)
WILHELMSHAVENER ZEITUNG vom 24. März 1992
Bravo für Arnold Preuß und seinen "Plietschen Tüiielhannes"
Erfolgreiche Uraufführung der Niederdeutschen Bühne
Von Barbara Schwarz
Riskant war es schon, den "Diener zweier Herren", diese seit 200 Jahren lebendige Komödie des Venezianers Goldoni, ins Plattdeutsche zu übertragen. Unvereinbar scheinen Mentalität und Spieltradition. Zu viele mißglückte Textbearbeitungen dilettantischer Art hat es zudem in der Vergangenheit bereits gegeben. Aber Arnold Preuß, Leiter der Niederdeutschen Bühne am Wilhelmshavener Stadttheater seit 1985, hat gewagt und gewonnen. Seine Übertragung und Bearbeitung von Goldonis unsterblicher Komödie, "De plietsche Tüffelhannes", am Sonntagabend im Wilhelmshavener Stadttheater aus der Taufe gehoben, ist ein fröhliches, unterhaltsames, niederdeutsches Theaterstück; vom Uraufführungspublikum begeistert aufgenommen. Viel Szenenbeifall, langer Schlußapplaus und Bravo für Arnold Preuß, der zugleich die Titelrolle spielte.
Goldonis "Diener zweier Herren" ist ja auch schon keine reine Commedia dell'arte Komödie mehr, sondern bereits eine Weiterentwicklung dieser aus dem Mittelalter überkommenen Theaterform hin zur Charakterkomödie. Goldoni hat das Stück 1745 im Auftrag des großen Arlecchino Mimen Antonio Sacchi geschrieben, nach einer französischen Vorlage. Preuß übernahm die Grundform der Fabel, die Figuren. Einerseits wurde sein Spiel schlichter, weniger raffiniert und artistisch, andererseits gewannen die doch noch recht typisierten Nebenfiguren Goldonis durch die plastische niederdeutsche Sprache an Charakter.
Regisseur Rudolf Plent hat die Handlung zudem in der Biedermeierzeit angesiedelt, um gar nicht erst in Versuchung zu geraten, mit der virtuosen Körpersprache einer italienischen Commedia dell'arte Truppe zu konkurrieren. Die Biedermeierzeit bietet zudem auch den passenden Rahmen für Väter, die ihre Kinder verkuppeln, Diener, die nicht schreiben und lesen können und Mühe haben, ihr täglich Brot zu verdienen. Eine Zeit, in der auch romantische Liebe und Degen Raufhändel junger Adliger ihren Platz hatten.
Kabinettstück
Während Plent für das eigentliche Spiel ein schräges Podest mit wenigen Möbelstücken. einen kleinen, schmucklosen biedermeierlich tapezierten Wirtshausraum wählte, gab er dem Ganzen einen opulenten farbigen Rahmen eine bewegte Straßenszene mit biedermeierlich gekleideten Spaziergängern samt Drehorgelmann (August Desenz) vor farbig bemaltem Vorhang mit Dorfansicht.
Preuß als plietscher Tüffelhannes wird beiden Seiten der Figur gerecht; er ist so plietsch wie sein venezianisches Vorbild, aber auch norddeutsch tüffelig, so daß dieser Arlecchino im Biedermeiergewand mit rosafarbenem Knautschzylinder aus Samt zwar weitgehend die Fäden des Spiels in der Hand hat, aber dann doch wieder staunend und bewundernd vor sich selber steht; pfiffig und einfältig zugleich und von großer Spielfreude.
Diese muß man auch allen anderen Mitwirkenden bescheinigen, voran Klaus Aden als Jacob Pannkoken und Horst Jönck als Afkaat Lienpatt, die als kupplerische Väter im Streitduett auf der Straße (bei Goldoni 2. Akt, 2. Szene) ein Kabinettstückchen an Komik abliefern. Wilma Welte, schön schrill als verliebtes Klärchen, schnäbelt mit Wilfried Pampuch als köstlich tolpatschigem liebenden Sibelt. Frisch gewinnt Christine Fein in der Hosenrolle der Marie den wacker geradlinigen Jürgen Tapken in der Rolle ihres geliebten Ferdinand. Polterig und bauernschlau geben Horst Karstens als Kröger und Günter Jaedeke als Diener und Kellner dem Spiel Farbe. Margot Andrews Jäkel als Deenstdeern Gerhardine erinnert, frisch und rundlich, an eine Wilhelm Busch Figur und gewinnt den Tüffelhannes für sich. Ein insgesamt hübsches und abwechslungsreiches Verwechslungsund Verwicklungsspiel, an dem die Zuschauer ihre Freude haben.
Tüffelhannes (Arnold Preuß) kassiert einmal Lohn vom Junker Ferdinand (Jürgen Tapken)
NORD-WEST-ZEITUNG vom 23. März 1992
Trufaldino im Biedermeier
Uraufführung: "De plietsche Tüffelhannes" von Preuß
Von Ernst Goetsch
Wilhelmshaven. 250 Jahre ist er alt, der "Diener zweier Herren", der bauernschlaue Truffaldino Carlo Goldonis. 36 Stunden jung hingegen ist der "Tüffelhannes" des Wilhelmshaveners Arnold Preuß. Doch eines ist ihnen gemeinsam: sie wirbeln als bettelarme, aber pfiffige Analphabeten vital und listenreich über die Bretter, die die Welt bedeuten der eine (der Ältere) als Rokoko Figur mit venezianischer Sprachfarbe, der andere (der Blutjunge) mit niederdeutschem Zungenschlag im Biedermeier Milieu.
"De plietsche Tüffelhannes" so der vollständige Titel von Arnold Preuß' Fünfakter nach Goldonis Komödie wurde am Sonntag im Wilhelmshavener Stadttheater aus der Taufe gehoben mit großem, mit riesigem Erfolg! (das Publikum erzwang etliche Vorhänge, feierte Autor, Regisseur und Akteure, sparte nicht mit Bravo Rufen). Preuß, als Bühnenleiter der "Niederdeutschen" an der Jade wie als Autor und Übersetzer routiniert, hat seinem "Tüffelhannes" alles auf den Weg gegeben, was Zündkraft verheißt: Mutterwitz, Temperament, den richtigen Riecher für Gelegenheiten, aus jeder verworrenen Situation Vorteil zu schlagen. Mag dieser von seiner Umwelt allzu oft unterschätzte Tüffelhannes auch noch so unverfroren zulangen und mogeln das Publikum verzeiht es ihm und es genießt, wie dieser arme Teufel seinen leeren Beutel, seinen leeren Magen füllt.
Glücklicherweise hat der Schauspieler Preuß, der sich als Autor den "Tüffelhannes" auf den Leib schrieb, der Versuchung widerstanden, auch noch Regie zu führen. Das überließ er einem Vollprofi, dem in der niederdeutschen Theaterszene oft schon eingesetzten Österreicher und Wahl Oldenburger Rudolf Plent. Und der bewies im Fall "Tüffelhannes" einmal mehr, daß er volkstümlich rustikalen Stücken einen optisch höchst gefälligen Rahmen zu geben weiß. In Wilhelmshaven steuerte Plent auch die Bühnenbild-Grundidee für den farben und formenreichen Biedermeier-Rahmen bei mit Drehorgel (August Desenz), mit tänzelnder Beschwingtheit, szenischer Gelöstheit und nicht zuletzt! mit einer Wortregie, die jeden Dialog glasklar vernehmbar bis in die 20. (die letzte) Parkettreihe des Stadttheaters brachte.
Daß Plent auf "Biedermeier" setzte, mag manchen an Goldoni Stil und Kolorit orientierten Puristen gestört haben das Publikum der Uraufführung nicht! Im Gegenteil: Es taute rasch auf bei den auf Tempo gehaltenen Szenen der ersten drei Akte. Nach der Pause wurden Längen, wurden Dehnungen spürbar, doch das schmälerte nicht das Vergnügen im Partkett dank der Aufgekratztheit des Titelhelden (sprich: Preuß!), der als Mitleid weckender Wurm wie als Tausendsassa stets belächelter und bewunderter Mittelpunkt der Szene blieb.
Am Ende, nach zwei Stunden stimmungsvoll anzüglicher Unterhaltung, auch viel Applaus für Plent, der die konträren Geister der Biedermeier Kleinbürgerwelt zwischen "latinsch" brabbelndem Advokaten, tyrannisch waltendem Tochter-Versorger und närrisch verliebten Junkern in Trab hielt.
Gewiß: Nur ein bunter Bilderbogen von gestern, vorgestern. Aber: Ein mit sanfter Ironie angereicherter Bilderbogen, der in 30 (!) Proben zu einem passablen Guß geriet. Alles auf die nette, gefällige Art: Duelle, Geschäftskalkül, Schmusigkeiten, Irrungen, Wirrungen, Verkleidungen und Täuschungsmanöver. Leichte Ware, aber . . . solide gestrickt, augenzwinkernd offeriert! Mitbeteiligt, mitgefeiert: Klaus Aden (der Kaufmann Vater), Wilma Welte (das zuweilen etwas überdrehte Töchterchen Klärchen), Horst Jönck (ein gespreizter Advokat), Christine Fein (Marie, dessen Tochter), Jürgen Tapken (Junker Ferdinand) und Margot Andrews Jäkel (Dienstmagd mit naivem "Ogottogott" Ton). Und etliche und andere allesamt eingesponnen in ein Konzept, das Gemüt und Lustbarkeit weitgehend auf Niveau hält.
Die glücklichen Paare finden zueinander
FRIESICHER HAUSBOTE vom 19. März 1992
Niederdeutsche Bühne Wilhelmshaven
De plietsche Tüffelhannes
Uraufführung einer Eulenspiegelei
Wilhelmshaven. Ewig hungrig nach gutem Essen und sinnlicher Liebe. Lebensgenießer, weil Lebenskünstler. Gaukler, Gauner, Eulenspiegel. Karriere wird er nicht machen und Besitz nie anhäufen, aber dafür wird er das pralle Leben im Hier und Heute bis zum letzten Tropfen auskosten. Schlitzohrig und weise, pfiffig und heiter, manchmal geprügelt, aber nie kaputt: Hannes Pantüffel ut Uhlenkroog Se dröfft Tüffelhannes to mi seggen. Als ob das Leben nicht schon kompliziert genug wär, Tüffelhannes schafft es mit lockrer Hand und leichter Zunge , die ach so tragischen Verwicklungen noch mehr zu komplizieren. Nur das Happy End wird er nicht verhindern. Im Gegenteil: Er wird sich seinen Teil davon sichern. Ganz ungeniert und locker.
Der edle Ritter Frederick von Rotspan ist bei einem schröcklichen Händel ums Leben gekommen. Seiner Schwester, Marie von Rotspan, Verlobter: Junker Ferdinand van Arungen muß fliehen ob des fürchterlichen Verdachtes, jenen Frederick gemeuchelt zu haben. Und was ist mit des edlen Frederick Verlobter: Klärchen Pannkoken, des reichen Kaufmanns Töchterlein? Nun Klärchen hat ganz, ganz schnell in Sibelt, Sohn des Afkaat Lienpadd, mehr als nur Ersatz gefunden. Beide sind ineinander unsterblich verliebt. Und das ganz ungeniert auf offener Bühne.Und schon fast wären wir beim seligen Happy End, gäb es da nicht den Tüffelhannes, der sich als Diener des Frederick von Rotspan vorstellt und den unmittelbar bevorstehenden Besuch seines Herrn im Hause Pannkoken ankündigt.
Große Verwirrung.
Klärchen will nichts mehr wissen, von dem ihm väterlich zudiktierten adligen Verlobten. Die zukünftigen Schwiegerväter sind verdattert und geraten einander in die Haare. Der Kaufmann wittert von neuem die edle TraumPartie für sein Töchterlein, der Advokat fühlt sich zutiefst in seiner bürgerlichen Ehre gekränkt, durch die Aufkündigung des Verlöbnisses.
Diener zweier Herren
Marie erscheint in der Verkleidung ihres toten Bruders Frederick, bringt die spießbürgerliche Idylle vollends durcheinander. Aber in Wahrheit ist sie nur auf der verzweifelten Suche nach ihrem Liebsten, dem vermeintlichen Mörder ihres Bruders.
Per Zufall wird nun Tüffelhannes auch Diener des flüchtigen Junkers Ferdinand, der im selben Gasthaus einkehrt, wie seine ach so vermißte Marie. Doch natürlich wissen beide nicht von des anderen Nähe. Und Tüffelhannes tut auch alles, um die Begegnung der beiden zu verhindern. Denn zwei Herren zu gleicher Zeit bedeuten für ihn zweifachen Lohn und reichliches Essen.
Und so jongliert er meisterlich mit kleinen Lügen, Betrügereien, erfundenen Personen und der naiven Gutgläubigkeit seiner Mitmenschen. Immer wieder gerät er in riskante Situationen, verwechselt als Analphabet die Briefe seiner beiden Herren, gibt sie um seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen gar als kürzlich verstorben an und riskiert beinahe ewiges Liebesleid und tragisches Ende der Liebenden. Doch das Happy End ist nicht aufzuhalten.
Eulenspiegel und Otto
Arnold Preuß hat nach Motiven des Weltklassikers 'Der Diener zweier Herren' von Carlo Goldoni ein eigenständiges plattdeutsches Theaterstück geschrieben, das Profi Regisseur Rudolf Plent auf einem interessanten Bühnen Arrangement Spielpodest und Vorbühne werden teils gemeinsam, teils getrennt bespielt mit viel Spielwitz, Ironie und flotter Choreografie inszeniert. Roswitha Wunderlich macht die Regie-Assistenz und schlüpft in eine kleine Hosen Nebenrolle. Tüffelhannes (Arnold Preuß) tänzelt, wetzt und schleicht durch die Schicksale seiner Mitmenschen, tritt in Fettnäpfchen, fällt aber immer wieder auf die Beine, wenn er einmal ausrutscht. Arnold Preuß gestaltet diesen Eulenspiegel und Otto leichtfüßig, treuzherzig augenzwinkernd und kühl kalkulierend.
Kaufmann Jakob Pannkoken (Klaus Aden) und Afkaat Lienpadd (Horst Jönck) liefern sich scharfzüngige Duelle und komödiantisch begeisternde Beschimpfungen. Herrlicher Slapstick: ihr Verfolgungstrip über die Vorbühne. Dick und Doof und Charlie Chaplin lassen grüßen. Christine Fein spielt die Hosen-Rolle Frederick/Marie von Rotspan. Da ist nichts Weibisches an ihrem edlen Ritter. Da ist sie strenger Herr und wirkungsvoller Kontrast zum Bruder Lustig Tüffelhannes.
Der liebeswunde, unschuldig verfolgte Junker Ferdinand, den die Eskapaden seines wunderlichen Dieners so sehr in Atem halten, daß er kaum noch Gelegenheit hat, sich seinem Liebesschmerz hinzugeben eine dankbare Aufgabe für Jürgen Tapken.
Wilma Welte spielt mit Hingebung das verliebte Klärchen.
Herrlich melodramatisch zu Herzen gehend ihre kleinen hysterischen Anfälle. Und den verliebten Sibelt Lienpadd hinschmelzend in der Liebe und ein wenig linkisch ritterlich in der Verteidigung seiner Geliebten verkörpert Wilfried Pampuch.
Der deftige Kröger Breckholt ist mit Horst Karstens sehr gut besetzt und seinen Dienstmann spielt Günter Jaedeke: Und schließlich ist da noch die ach so sympathisch naive verliebte und von Tüffelhannes geliebte Magd Dina des Kaufmanns Pannkoken Margot AndrewsJäkel. Neugierig auf gutes einfallsreiches Theater? De plietsche Tüffelhannes bietet's.
Wie verteilt man alles gerecht? (vl. Günter Jaedeke, Arnold Preuß, Horst Karstens)