Wilhelmshavener Erstaufführung
JEPPE IN´T PARADIES
Komödie in drei Akten von Paul Schurek
Inszenierung: Willi Minauf
Bühnenbild: Hannes Kaebe
Inspizientin: Maria Siebels
Souffleuse: Elisabeth Stammereilers
Beleuchtung: Hugo Kacmierczak
Kostüme: Paul Welzel
Rollen und Darsteller
Jeppe, ein kleiner Bauer - Emil Riemer a.G.
Mieke, seine Frau - Ellen Beutz
De Herr Baron - Willi Minauf
De Herr Inspektor - Heino Aden
Hein, Kammerdiener - Karl-Heinz Herpel
Anna, Kammerzofe - Gerda Jörss
Der Wirt - Emil Meinen
De Herr Inspektor (Heino Adn) besucht den verdutzten Jeppe (Emil Riemer) - eine Szene aus "Jeppe in´t Paradies" - Spielzeit 1955/56 -
PRESSESTIMMEN
Viel Beifall um den pfiffigen Jeppe
Paul Schureks Komödie "Jeppe in´t Paradies" großartig aufgenommen
Daß Paul Schurek, dieser Sohn eines schlesischen Schumachers und einer Hamburger Deern, Niederdeutschlands bester Komödienschreiber ist, hat er nicht allein durch seine in 20 Sprachen übersetzte "Stratenmusik" (1921), seinen "Lünkenlarm" (1931), die "Tulipantjes", "Kasper kummt na Hus" und "Pott will heiraden" bewiesen, um nur einige seiner besten Stücke zu nennen. Die ganze Hintergründigkeit einer echten niederdeutschen Komödie, so wie sie beispielhaft in "Stratenmusik" dargestellt ist, kommt auch in seinem in unserer Stadt bisher noch nicht bekannten Stück "Jeppe in 't Paradies" zum Ausdruck.
Man muß zu meisterlicher Reife gelangt sein, wie Schurek, man muß niederdeutsche Art und Sprache beherrschen, aber auch ein gerüttelt Maß Lebensweisheit erworben haben, um eine solche echte Komödie schreiben zu können. Wie wohltuend sticht ein solches Werk ab von den billigen Schablonenschwänken, die von Vielschreibern produziert werden. Und man muß der Niederdeutschen Bühne Rüstringen dankbar sein, daß sie nach dem Albrecht Janßen Drama "De Diekrichter" ihren vielen Freunden nun diese plattdeutsche Kostbarkeit bietet.
In der Titelrolle des kleinen Bauern Jeppe aus dem typischen niederdeutschen Dorf, deren es Tausende in unserer Heimat gibt, stand als Gast von der Oldenburger August-Hinrichs-Bühne Emil Riemer auf den Brettern. Wir lernten in ihm einen geradezu prächtigen Spieler kennen, der alle Zuschauer mit seiner verschmitzten Pfiffigkeit, seiner Treuherzigkeit und seiner einfach entwaffnenden Philosophie vom süßen Nichtstun in den Bann schlug. Prächtig anzusehen, wie er seiner ihm doch so sehr trotz aller Fehler zugetanen Mieke beizubringen versucht, wie schön doch Gottes Welt ist, wie man sich an jeder Blume erfreuen soll, jedes Vogelzwitschern als eine göttliche Offenbarung hinnehmen muß. überwältigend und ob man will oder nicht, auch überzeugend, seine Philosophie von den beiden Seiten aller Dinge und Geschehnisse, wie beispielsweise das herrliche Gleichnis von der Katze, die die Maus frißt. Man kann diesem Lebenskünstler beim besten Willen einfach nicht böse sein, der zwei Seelen in seiner Brust, aber auch ein goldenes, treues Herz hat, ein Herz, das eben nur seine Mieke kennt und zu schätzen weiß. Emil Riemer war ohne Zweifel in erster Linie der große Erfolg zu verdanken, den das Stück gestern abend beim vollbesetzten Haus fand.
Regisseur Willi Minauf hatte Ellen Beutz die Rolle der Mieke, der fleißigen Frau des Jeppe, anvertraut, und so lag dieser Part von vornherein in den besten Händen. Resolut und doch vor Liebe zu ihrem leichtsinnigen Jeppe überströmend, arbeitsam und besorgt um ihren Mann, stellt Ellen Beutz eine Persönlichkeit dar, die Sympathie herausfordert. Wir sahen wieder eine durchaus abgerundete Leistung. Willi Minauf gab dem Baron sehr menschliche Züge, stellte einen kleinen Landedelmann dar, der zwar ungehalten ist, daß der unverbesserliche Jeppe nun einmal des Herrgotts Tagedieb ist, aber doch nie verleugnet, wie gern er diesen Alltagsphilosophen eigentlich hat. Und so macht er gute Miene zu jenem Spiel, das sich der Kammerdiener ausdenkt, um sowohl Jeppe als auch den Baron zu kurieren.
Heino Aden stand als schneidiger Inspektor mit Stiefeln und karierten Breeches fest und sicher in seinem Wirkungskreis, abhold jeder Faulenzerei und heftig in seinen Worten. Der Spieler mied klug jede Übertreibung, zu der diese Rolle leicht herausfordern könnte. Mit Witz und Verstand bot sich Karl Heinz Herpel als Kammerdiener Hein dar, der durch seinen Einfall den guten Jeppe in arge Verlegenheit bringt, als er ihn in das Himmelbett des Barons schafft. Emil Meinen war eine Prachttype von Dorfkrüger, ein Wirt, der sich ins Fäustehen lacht, wenn er sein Schäfchen geschoren hat. In Gerda Jörß sahen wir ein niedliches Kammerkätzchen, einem kleinen Flirt keineswegs abhold, aber doch sehr auf Reputation bedacht.
Hannes Kaebe stellte die Bühnenbilder mit gewohnter Einfühlung in ein echt niederdeutsches Milieu; die Kostüme von Paul Welzel waren ansprechend und stilecht, so daß eine untadelige Aufführung zustande kam, eine Aufführung, der das Publikum langen und herzlichen Beifall zollte, so wie sie es verdient hatte.
Mieke (Ellen Beutz), Baron (Willi Minauf), Inspektor (Heino Aden) und Kammerdiener Hein (Karl-Heinz Herpel) beraten über Jeppes Verbleib - eine Szene aus "Jeppe in´t Paradies" - Spielzeit 1955/56 -
"Son beten fallt ok of för jo!"
"Jeppe" (und die Zuschauer) "int´t Paradies"
Man darf der Niederdeutschen Bühne Rüstringen zu ihren vielen anderen, lobenswerten Eigenschaften noch zu einer anderen gratulieren, die man schlicht "Riecher" nennt. Sie hat eine außerordentlich gute Hand in der Wahl der Darsteller-Gäste, das bewies der erfolgreiche "Ferdinand", der heute abend zum letzten Male läuft, und das beweist mehr noch der "Jeppe", der am Sonntagabend über die Bühne des Stadttheaters in das Paradies ging und die Zuschauer mit ihm.
Zuerst einmal gehört dieses Spiel von Paul Schurek in die ganz kleine Gruppe plattdeutscher Komödien, die schon vom Inhalt her Sonderklasse sind. Da gibt es keine Plattitüden um uneheliche Kinder mit unwahren Typen aus der Retorte des Lustspielroutiniers und keine Situation um der bloßen Komik willen, sondern das Stück wächst aus sich selbst.
Da kann man herzlich lachen über diesen Jeppe, der ein Tagedieb ist und als kleiner Landarbeiter so gern Baron sein möchte aber man kann's nicht immer, denn in dieser grauen Alltag blitzen Weisheiten auf und lassen mitten im Lachansatz nachdenken. Emil Riemer als Gast der August-Hinrichs-Bühne Oldenburg gibt diesen Jeppe, der tatsächlich für kurze Stunden zum Baron wird und entdeckt, wie gut sich's doch als kleiner Mann lebt. Lebt! Das ist es, was diesen Mann dort auf der Bühne auszeichnet! Keine Sekunde ist verloren, in der man ihn agieren sieht; in der er seine aus Klugheit und Pfiffigkeit gemixte Weisheit verzapft; in der man ihn als kleinen Mann, der ganz groß wird erlebt! Ihm danken wir einen köstlichen Abend mit einem niederdeutschen Darsteller, wie wir ihn in Wort, Gebärde und Mienenspiel, echt bis in den kleinen Finger, ganz selten sahen.
Auch der Autor war in seinen Jeppe verliebt, denn er läßt alle anderen Typen zu Randfiguren werden. Am ehesten ist noch Ellen Beutz als Jeppes Frau Mike da und ergänzt den Gast prächtig. Alle anderen Rollen, ganz gleich, ob es Willi Minaufs Baron, Heino Adens Inspektor oder Karl Heinz Herpel als Kammerdiener sind sie werden wie die Kammerzofe Anna (Gerda Jörss) und Emil Meinens Wirt vom Autor wie von einer klugen Regie (Willi Minauf) lediglich skizziert und bleiben bewußt im Hintergrund.
Als ausgezeichneter Bühnenbildner zeigte sich wieder einmal Hannes Kaebe, der den Platz vor dem Dorf mit der Burg des Herrn Baron im Hintergrund ebenso echt baute wie das Schlafzimmer des "gnädigen Herrn". Es wäre nur zu wünschen, daß man den wohlabgestimmten Spannungsbogen des ganzen Spieles auch im dritten Akt wirken läßt und hier Wiederholungen streicht, um das Tempo zu halten. Dann darf man von dieser Inszenierung sagen, daß sie die beste der ganzen Spielzeit und ein Gewinn für alle Freunde der echten niederdeutschen Komödie ist.
Sie waren Klasse - Ellen Beutz und Emil Riemer a.G. von der August-Hinrichs-Bühne Oldenburg - ein Szenenfoto aus "Jeppe in´t Paradies" - Spielzeit 1955/56 -