Wilhelmshavener Erstaufführung

HOCHTIETSREIS AHN`N MANN

Lustspiel in drei Akten von Leo Lenz
Niederdeutsch von Hans-Jürgen Ott

Inszenierung: Willy Beutz
Bühnenbild: Hannes Kaebe

Souffleuse: Brigitte Halbekath/Rika Jung
Beleuchtung: Theo Pottbacker
Inspektion: Berta Herpel

Rollen und Darsteller
Robert Hellwig, Maler - Heinrich Müller
Alfred Bornemann, Kunsthändler - Karl-Heinz Herpel
Luise Schulz, Lehrerin - Hanna Christoffers
Karin, ihre Nichte - Gerda Jörss
Franz Steiner, Maler - Hans Macker
Guste, Haushälterin bei Hellwig - Erika Kaebe

Zum Schluß finden sich die Paare? v. l. Erika Kaebe, Hans Macker, Karl-Heinz Herpel, Hanna Christoffers, Gerda Jörss und Heinrich Müller - eine Szene aus "Hochtietsreis ahn Mann" - Spielzeit 1970/71 -

WILHELMSHAVENER RUNDSCHAU

Hochtiedsreis', die viel Spaß bringt

Rüstringer in großartiger Spiellaune

Von Ernst Richter

Mit einer prächtigen und beifallsumrauschten fünften Inszenierung verabschiedet sich unsere Wilhelmshavener Niederdeutsche Bühne Rüstringen aus der Spielzeit 1970/71. "Hochtiedsreis' ahn Mann", Lustspiel in drei Akten von Leo Lenz, Niederdeutsch von Hans Jürgen Ott, zündete beim Publikum der Premierenvorstellung am Freitagabend im Stadttheater. Warum? Weil Heinrich Müller in der Rolle des vertrottelten eigenbrödlerischen Malers Robert Hellwig eine umwerfend erheiternde Vorstellung gab, weil Gerda Jörß als Herzensbrecherin Karin sehr temperamentvoll mit viel Charme und Chic loslegte, weil Erika Kaebe als Haushälterin Guste einmal mehr die heiteren Pointen ans Theaterpublikum zu bringen verstand, weil Karl-Heinz Herpel als Kunsthändler Alfred Bornemann geschickt zwischen Seriosität und Schelmerei seine Rolle ausbalancierte, weil Hanna Christoffers augenzwinkernd die so auf Sittsamkeit bedachte Lehrerin Schulz anlegte und weil, last not least, Hans Macker schließlich die scheinbare Verwirrung löste, den Gordischen Knoten durchschlug und für ein hübsches und keineswegs überdrehtes Happy End sorgte. Beifall! Beifall!

Da hat der Theaterrezensent gerade nach der vierten Aufführung der Niederdeutschen ein paar kritische Anmerkungen machen müssen. Ein wenig zu simpel hatte sich da unsere Laienspieltruppe ins Zeug gelegt. Natürlich bringt das Lacher ein, besonders bei denen, die ohnehin lachen. Aber am Ende fehlte eben das gewisse Quentchen Befriedigung, Beschwingtheit oder wie man es sonst nennen will, das den Besucher auch nach einem Nichts von Lustspiel, Schwank, Klamauk empfinden und als ganz kleinen persönlichen Schatz mit nach Hause nehmen möchte.

Anders nach der "Hochtiedsreis'ahn Mann". Hier tun sich geradezu elegante Gedankensprünge auf, es mangelt nicht an geistreichen Pointen, an überzeugender Gestaltungskraft. Mit einem Wort: Der Witz wird groß geschrieben. Das Ensemble verdien sich zwei Stunden lang Anerkennung.

Heinrich Müller bringt mit seiner störrischen Liebhaberpartie auch den verstocktesten Muffelbruder zum Lachen. Er und sein Bühnenkumpan Karl-Heinz Herpel geben ein Duett ab, das durchaus neben dem Hamburger Ohnsorg-Theater "Fernsehreife" besitzt. (Man verzeihe diese neue Wortschöpfung). Wie aber soll man sonst den Fernsehleuten beikommen, die wohl meinen, ständig nur die Hamburger auf die Mattscheibe bringen zu müssen, zu können! Selten gesehen - aber groß angekommen: Gerda Jörß. Ein paar Versprecher am Anfang ließ sie sehr schnell mit ihrem frisch, frech und keck angelegten Spiel vergessen. Man möchte ihr Bühnenerfahrung zugestehen, ohne damit das Kompliment schmälern zu wollen. Erika Kaebe ist schon so etwas wie ein Qualitätsbegriff für die "Rüstringer" Bühne. Sie spielt herzerfrischend gestenreich.

Das Stück ist überdies so recht für das Niederdeutsche geeignet, weil es sich dialektisch um eine gefühlsbetonte Mundart handelt und hier Emotionen in erheiterndem Sinn aufs Tapet kommen. Plattheiten kann sich der Niederdeutsche Sprachschatz nicht leisten!

Wieder führte Willy Beutz Regie. Mit leichter Hand und flüssigen Übergängen und ohne störende Längen brachte er die Handlung auf die Bühne. Das hübsche und sorgsam ins Detail gehende Bühnenbild von Hannes Kaebe paßt zu dieser Aufführung. Hier wird ein eingefleischter Junggeselle in den Hafen der Ehe gelotst. Daraus entwickelt sich ein feiner Spaß mit vielen Kontrapunkten Mit diesem Stück verabschiedet sich unsere Wilhelmshavener Niederdeutsche Bühne Rüstringen aus diesem Theaterjahr. Ein erfolgreicher Schluß, der schon Spaß auf die nächste Saison keimen läßt. Und bis dahin, um mit dem Bühnenleiter Willy Beutz zu sprechen: Dat goh jo good!

Vorher geht´s aber 'drunter und drüber'! v.l. Karl-Heinz Herpel, Erika Kaebe, Gerda Jörss und Heinrich Müller - eine Szene aus "Hochtietsreis ahn Mann" - Spielzeit 1970/71 -

WILHELMSHAVENER ZEITUNG

Heiterer Mannerfang mit List und Tücke

Beifall für plattdleutschs Lustspiel "Hochtietsreis` ahn Mann"

Von Heinz Jacobs

Mit einem außerordentlich flotten Lustspiel, das allerdings nicht dem Niederdeutschen entwachsen, sondern ins Plattdeutsche übertragen worden ist, beendet die Niederdeutsche Bühne "Rüstringen" ihre überaus erfolgreiche Spielzeit 1970/ 71. Leo Lenz schrieb diese prächtige Komödie, die von Hans Jürgen Ott in die niederdeutsche Sprache übertragen wurde. Ein sehr aufgeschlossenes Premierenpublikum wurde am Freitagabend im Stadttheater förmlich mitgerissen von der mitunter an einem zugkräftigen Schwank von Arnold und Bach erinnernden Aufführung, deren Inszenierung restlos überzeugte, wenn auch Frau Kaebe in ihrer Rolle etwas reservierter sein müßte.

Bühnenleiter Willy Beutz selbst führt nach langer Zeit wieder einmal Regie, und man spürt von vornherein eine langjährige Erfahrung. Es wurde herzerfrischend gespielt, die Rollen waren gut besetzt, so daß kein Wunsch offen blieb. Mit der Zentralfigur des einsam mit seiner ältlichen Haushälterin in einem abgelegenen Landhaus lebenden Malers Robert Hellwig, eines eingefleischten Hagestolzes, steht und fällt dieses Stück, so gezielt hat der Autor sie in den Mittelpunkt der Handlung gestellt. Willy Beutz betraute Heinrich Müller mit dieser Rolle. Er hätte keinen besseren Darsteller finden können, denn wie dieses Naturtalent seinen Part mit eigenen Gags anreicherte, war unübertrefflich wirksam.

Wie der frauenscheue Künstler durch List und Tücke unter den Pantoffel gerät, ist glänzend herausgearbeitet und wird glaubhaft gemacht. Gerda Jörß ist als Karin Schulz und angeblich jungverheiratete Frau Steiner das kleine Biest, dem es gelingt, den seit langem heimlich geliebten Mann zu erobern. Die Zuschauer erfreuten sich an einer gut ausgewogenen Leistung. Als Kunsthändler Bornemann steht Karl-Heinz Herpel zwischen seinem Freund Hellwig und der jungen Frau, die auf der Auto Hochzeitsreise angeblich ihren frischangetrauten Ehemann verloren hat. mit Sehwune und Charme meistert. Karl-Heinz Herpel in gewohnt zuverlässiger Weise diesen Part.

Hanna Christoffers hatte oftmals die Lacher auf ihrer Seite, als sie in ihrer Rolle als Lehrerin Luise Schulz und Tante der jungen Frau Karin unverhofft im Tusculum des Malers Hellwig auftaucht und ihre Nichte plötzlich als verheiratete Frau vorfindet. Erika Kaebe hüpft als Haushälterin Guste munter wie ein zartes Rehlein durch die Handlung (wozu eigentlich?). Diese Rolle enthält genug Situationskomik, um nicht unterzugehen. Als mit der jungen Karin befreundeter Maler Franz Steiner rundet Hans Macker in seiner souveränen Art den Kreis der Darsteller mit einer fehlerfreien Leistung in Sprache und Geste ab.

Der bereits während des Spiels vor allem für Heinrich Müller gespendete Beifall galt nach dem Schlußvorhang neben dem gesamten Ensemble vor allem der hervorragenden Regieleistung Willy Beutz' und nicht zuletzt auch Hannes Kaebe für ein stilechtes Bühnenbild, einem Maleratelier.