Wilhelmshavener Erstaufführung
TWEE ENGELS
Lustspiel von Janne Furch
Niederdeutsche von Günther Siegmund
Inszenierung: Willy Beutz
Rollen und Darsteller :
Mary Brinkmann - Ellen Beutz
Trude Engel (Doppelrolle) - Ellen Beutz
Bessie, ihre Tochter - Rosemarie Kümmel
Willy Schünzel - Heino Aden
Klaus Mönkeberg - Kurt Röthel
Psychotherapeut Dr. Schäfer - Heinrich Müller
Heinrich Müller als Psychotherapeut Dr. Schäfer und Ellen Beutz als die französische Zwillingsschwester Mary Brinkmann - eine Szene aus "Twee Engels" - Spilelzeit 1972/73 -
WILHELMSHAVENER ZEITUNG vom 28. Dezember 1972
Schwierigkeiten mit leichter Muse
Niederdeutsche Bühne Rüstringen spielte die "Twee Engels"
Von Barbara Schwarz
Die leichte Muse ist nur eine scheinbar leichte. Und es ist weniger schwierig, ein Drama zu inszenieren, als ein Boulevardstück so auf die Bretter zu bringen, daß es keine Längen hat, sondern witzig, spritzig und amüsant ist. In die Gattung der Boulevard Komödien gehört auch "Twee Engels" von Janne Furch, ein Stück, das von Günther Siegmund, Intendant des Hamburger Ohnsorg Theaters, ins Plattdeutsche übertragen wurde; ganz offensichtlich, weil die Doppelrolle der Trude Engel/Mary Brinkmann für den Zugstar des Ohnsorg Theaters, Heidi Kabel, eine Glanzrolle zu sein schien.
Aber schon die Aufführung des Ohnsorg Theaters in Hamburg zeigte, daß Stück, Doppelrolle - Grete Weiser auf den Leib geschrieben - und die spritzigen Dialoge und Monologe allein schon durch die Übertragung in die plattdeutsche Sprache an Tempo verloren, betulich wurden. Die Niederdeutsche Bühne Rüstringen hatte sich mit der Inszenierung der "Twee Engels", Regie Willy Beutz, eine zwar reizvolle, aber doch sehr schwierige Aufgabe gestellt, eine Aufgabe, an der auch Profis scheitern können. Das ganze Verwechslungsspiel um Mutter und Tochter Engel sowie Mutter Engels Zwillingsschwester Mary zog sich denn sehr zähflüssig hin.
Ellen Beutz in der Doppelrolle Trude Engel/Mary Brinkmann, Rosemarie Kümmel als ihre erfolgreiche Tochter Bessie, Heino Aden als Willy Schünzel und Kurt Röthel als Klaus Mönkeberg gaben ihr Bestes, aber solche Rollen erfordern ganz einfach schauspielerische Ausbildung, nicht nur Spieltalent. Heinrich Müller, einer der talentiertesten Spieler der Niederdeutschen Bühne, überchargierte den Psychotherapeuten Dr. Schäfer. Und Sächsisch im plattdeutschen Spiel, dazu in vielen Partien Hochdeutsch was bleibt da noch vom Niederdeutschen? Meiner Meinung nach täte die Niederdeutsche Bühne sich und ihren Freunden einen größeren Gefallen, wenn sie sich auf wirkliche niederdeutsche Lustspiele konzentrierte.
Gewiß ist es schwierig, jedes Jahr eine genügende Anzahl neuer Stücke zu finden, die spielbar und unterhaltsam sind. Aber das übliche Unterhaltungstheater sollte man doch besser der Landesbühne oder anderen Profi-Ensembles überlassen. Aufgabe der Niederdeutschen Bühnen ist meiner Meinung nach vor allem die Pflege des Plattdeutschen und der Volksstücke, die in dieser Sprache original geschrieben wurden. Darauf sollte man sich beschränken, auch wenn es dann nach einigen Jahren Wiederholungen gibt. Das Publikum verändert sich, wird jünger. Und auch eine heutige Inszenierung von Hinrichs' Komödie "Wenn de Hahn kreiht" um nur ein Beispiel zu nennen wird nicht der vor zehn Jahren gleichen. Und darum freue ich mich, daß als nächste Inszenierung wieder einmal ein Lustspiel von Karl Bunje "Spektakel in Kleihörn" auf dem Spielplan der Niederdeutschen Bühne Rüstringen steht.
Auch ein Schluck Sekt, fragt der französische Teil der Zwillingsschwestern Mary Brinkmann (Ellen Beutz)? Dankend ablehnend vom Psychiater Dr. Schäfer (Heinrich Müller), obwohl Willy Schünzel (Heino Aden) bereit steht. Miteinander turteln rechts Bessie (Rosemarie Kümmel) und Klaus Mönkeberg (Kurt Röthel) - eine Szene aus "Twee Engels" - Spielzeit 1972/73 -
Leserbrief in der WZ vom 5.1.1973
Zwei heitere Stunden
Ich habe mich schon oft gefragt, warum wohl eine Theaterkritik so grundverschieden von der Resonanz des Publikums sein muß. Gewiß, der Kritiker betrachtet ein Stück unter anderen Aspekten - professionell sozusagen - , aber darf er dabei die Wirkung eines Stückes auf das Publikum, für das es ja letzten Endes gespielt wurde, völlig ignorieren? Auch im Falle der "Twee Engels" konnte ich in der Zeitung wieder einmal nachlesen, daß ich und viele meiner Bekannten (und der weitaus größte Teil der recht angetanen Premierenbesucher des 2. Weihnachtstages) mit unserem "Volksempfinden" wieder einmal völlig schief" lagen.
Die Niederdeutsche Bühne bereitete ihrem Publikum wiederum zwei amüsant heitere Stunden, die es am Schluß dankbar mit anhaltendem Beifall quittierte. Davon wird in der Kritik gar nichts erwähnt. Dagegen finde ich den Hinweis auf sogenannte klassische Trude Engel Darstellerinnen, wie beispielsweise Grete Weiser, absolut unangebracht, denn wer geht schon in ein niederdeutsches Theater in der Absicht, dort eine Pseudo Grete Weiser anzutreffen? Der von der Kritik so geschmähte Psychotherapeut, Dr. Schäfer, wurde vom Publikum doch sogar spontan mit Szenenbeifall bedacht.
Und daß in einem plattdeutschen Stück streckenweise da, wo es hingehört auch einmal Hochdeutsch gesprochen wird, werden sicher all die ebenfalls am Mundartlichen interessierten, aber des Niederdeutschen nicht ganz mächtigen Besucher der besseren Verständigung wegen dankbar vermerkt haben. Warum sollte einer Niederdeutschen Bühne nicht gestattet sein, worauf so prominente Bühnen wie das OhnsorgTheater oder der Komödienstadl nicht verzichten wollen ein breiteres und jüngeres Publikum anzusprechen und Volksgut (also die plattdeutsche Sprache) dem "Volke" nahezubringen? Schließlich spielt doch "Twee Engels" im Hamburger Raum, wo bekanntlich noch in allen Bevölkerungsschichten sehr viel plattdeutsch gesprochen wird.
Boulevard -Theater oder nicht "Twee Engels" war ein schöner Publikums Erfolg für die Niederdeutsche Bühne "Rüstringen"!
Annemarie Best
Schulstraße 76
Auch hier turteln miteinander Rosemarie Kümmel und Kurt Röthel als jugendliches Liebhaberpaar - eine Szene aus "Twee Engels" - Spielzeit 1972/73 -
Leserbrief in der WZ vom 16. Januar 1973
Eine echte Überraschung
Die herbe Premierenkritik, mit der die Inszenierung "Twee Engels" der Niederdeutschen Bühne "Rüstringen" bedacht wurde, blieb nicht unwidersprochen. Unter der Überschrift "Zwei heitere Stunden" erfolgte die Entgegnung aus der Sicht einer Theaterbesucherin. Vorbelastet durch die meinungsbildende Kritik der Rezensentin gestaltete sich das Erlebnis der von mir besuchten Aufführung zu einer echten Überraschung. Dem in der Leserzuschrift Gesagten kann ich voll zustimmen und auf die wiederum positive Aufnahme des Stückes beim Publikum hinweisen.
Die Aufführung und das Stück selbst veranlassen jedoch auch mich, zu zwei in der Kritik geäußerten Ansichten Stellung zu nehmen: Ich vermag nicht einzusehen, weshalb "solche Rollen ganz einfach schauspielerische Ausbildung und nicht nur Spieltalent" bedürfen. Wenn es nach Meinung der Rezensentin "übliches Unterhaltungstheater" sei und somit "doch besser der Landesbühne oder anderen Profi Ensembles" überlassen werden solle? Diese, die Stückwahl betreffende Kritik halte ich nicht für richtig. Warum soll ein aus dem Hochdeutschen übertragenes Stück ein Fehlgriff sein, da doch die Thematik des Stückes "Twee Engels" dem Plattdeutschen durchaus entgegenkommt. Anläßlich des 40jährigen Bestehens der Niederdeutschen Bühne "Rüstringen" ist immer wieder betont worden, neben der Pflege niederdeutschen Brauchtums und plattdeutscher Sprache den Besuchern Unterhaltung und heitere Theatererlebnisse zu vermitteln. Das ist mit dieser Inszenierung erfreulich gelungen.
Dr. Ernst Jürgen Kähler
Am Neuender Busch 28
Leserbrief in der WZ vom 26. Januar 1973
Von hervorragenden Leistungen angetan
Nach der eigenartigen, manchmal fast unsachlichen und auch unfairen Kritik von Barbara Schwarz über die Komödie ..Twee Engels" in der Wilhelmshavener Zeitung vom 28. Dezember 1972 habe ich trotzdem mit meiner Familie die Vorstellung am 13. Januar besucht. Verständlich, daß nach der oben angezeigten Kritik die Stimmung nicht gerade "theaterfreundlich" war. Um .so größer war unsere Freude über die dargebotene Leistung der einzelnen Künstler, wobei wirklich nicht nur Talent der tragende Faktor war. Gewiß spielt die langjährige Bühnenerfahrung der Regie und der Darsteller eine große Rolle. Daß es aber ohne schauspielerische Ausbildung aber mit Talent auch geht, hat diese hervorragende Aufführung bewiesen.
Außerordentlich bedauerlich finde in der Kritik den "Vergleich Heidi Kabel - Grete Weiser - Eilen Beutz. Das war wenig überzeugend. Wir waren Gast einer Niederdeutschen Bühne und wir sind alle von den hervorragenden Leistungen "unserer" Zwillingsschwestern Engel sehr angetan. Zu begrüßen waren die wenigen sächsischen Einlagen des Dr. Schäfer, die für eine willkommene Auflockerung sorgten. Im übrigen gehe ich mit den Ausführungen im Leserbrief von A. Best in der Ausgabe der WZ vom 5. Januar vollkommen konform. Mir bleibt nur übrig, auf die wirklich guten Leistungen aller Mitwirkenden vom Regisseur bis zum letzten Helfer hinter der Bühne mit besonderem Dank hinzuweisen.
Daß die Niederdeutsche Bühne ihre Aufgabe für die Pflege des Plattdeutschen mit "Twee Engels" sinnvoll und gelungen erweitert hat, ist mit Dankbarkeit und am 13. Januar von den Besuchern des gutbesuchten Hauses wiederholt mit Beifall auf offener Szene und mit großem Applaus am Ende der Vorstellung belohnt worden. Auch wir freuen uns - wie die Kritikerin im letzten Absatz zum Ausdruck gebracht hat, auf ein weiteres Lustspiel, und zwar "Spektakel in Kleihörn" von Karl Bunje. Gespannt sind wir darauf, ob die Kritik sich dann den Meinungen der sicherlich wieder zahlreich anwesenden Besucher etwas nähern wird.
Harm Martens
Mühlenweg 126