achte Gemeinschaftsproduktion
1. Wiederaufführung, davor 1961/62 gespielt
DE KLOKE ANNA
Komödie in elf Bildern von Paul Schureck
Inszenierung: Rudolf Plent a.G.
Bühnenbild: August Ahlers a.G.
Regieassistentin: Inge Bott, Jever
Produktionsleitung: Manfred Malanowski, Neuenburg
Souffleuse: Edda Malanowski, Neuenburg
Bühnenbildbau: Friedrich Decker, Gustav Weyerts, Jever
Bühenmalerei: Willy Egenhoff, Neuenburg
Bühnentechnik: Henry Sachtje, Heinrich Piest, Johann Moikow, Delmenhorst
Requisiten/Inspektion: Inge Bott, Jever und Hans-Georg Frers, Neuenburg
Maske: Karl-Heinz Krämer, Oldenburg und Harro Albers, Delmenhorst
Musik: Die Tütelüten, Horumersiel
Beleuchtung: Peter Pfaus, Erwin Telgmann
Rollen und Darsteller
Klaas - Peter Blohm, Brake
Anna - Inge Sachtje, Delmenhorst
De Herr Graf - Arnold Preuß, Wilhelmshaven
Jörn - Hans-Georg Frers, Neuenburg
Fiete - Harro Albers, Delmenhorst
Inge Sachtje aus Delmehorst ist die liebreizende, kloke Anna
DELMENHORSTER KREISBLATT
Prächtiges Schauspiel auf die Bühne gebracht
"De kloke Anna" feierte im Kleinen Haus Premiere
(me). Der niederdeutsche Dichter Paul Schurek (1890 1982) hat einem alten schönen Volksmärchen Licht und Gestalt gegeben, er hat es mit der scharfsichtigen Schläue der sogenannten einfachen Leute, mit ihrem Witz und ihrem rechtmäßigen Empfinden für Gut und Böse gewürzt, und er hat die Tiefgründigkeit des Märchens in die Erfahrung der Wirklichkeit umgesetzt. Mit Gespür und Kenntnis, daß das Märchen im Volk geboren und von ihm weitergegeben wird, daß es in ihm lebt, weil es aus ihm entstanden ist, konnte Paul Schurek auch die Geschichte der klugen Bauerntochter ohne Mühe auf die niederdeutsche Mundart übertragen und ein prächtiges Schauspiel auf die Bühne den Kleinen Hauses bringen.
In der bewährten Tradition einer Gemeinschaftsproduktion des Niederdeutschen Bühnenbundes Niedersachsen und Bremen, die übrigens von Willy Beutz, Wilhelmshaven, 1969 ins Leben gerufen wurde, entstand jetzt "De kloke Anna" mit Peter Blohm, Brake; Inge Sachtje, Delmenhorst; Arnold Preuß, Wilhelmshaven; Hans Georg Frers, Neuenburg, und Harro Albers, Delmenhorst. Unter der Produktionsleitung von Manfred Malanowski, Neuenburg, und der Profi Regie des Oldenburger Schauspielers und Regisseurs Rudolf Plent, ist eine der kostbarsten Aufführungen entstanden. Kostbar zum einen, weil die Perle aus der Märchenmuschel meisterlich herausgeschält wird, und kostbar zum anderen, weil die Darsteller sowohl schauspielerisch als auch dramaturgisch mit großem Arbeitseinsatz wertvolle Kenntnisse hinzugewonnen haben.
Denn auch dieses ist eines der Anliegen einer derartigen zeitlich und persönlich äußerst aufwendigen Inszenierung: Alle Akteure werden durch die praktische Arbeit am Stück intensiv geschult, damit sie das nötige Rüstzeug in ihrer Eigenschaft und Aufgabe als Amateur Regisseure an ihren eigenen Bühnen erhalten. Auch Bühnenbild und Bühnenbau, Technik, Inspektion und Requisiten, Maske und Musik tragen die dem Deutschen Bühnenbund angeschlossenen Bühnen gemeinsam. Bei dieser Aufführung übernimmt Delmenhorst die Betreuung während der Gastspiele bei den übrigen Bühnen, und auch die letzten Proben sowie die Generalprobe und die ersten vier übrigens ausverkauften Aufführungen finden in Delmenhorst statt.
Arnold Preuß' Graf ist ein wundervoller Falstaffabkömmling, deftig und durchtrieben, willkürlich und unberechenbar, jeder Zoll ein Herrschender, jeder Atemzug ein Mann. Denn hier wird durch die Kunst des Dichters, zweierlei Herrschaft und Unterdrückung aufzuzeigen, deutlich: die des Mächtigen gegen die bäuerlichen Untertanen, die des Mannes gegen das weibliche Geschlecht. Mag der Graf auch noch so schäumen und wüten gegen die fröhliche Sanftmut und die liebreizende Klugheit seiner Anna bleibt er letztlich der Unterlegene.
Inge Sachtje als Gegenpol männlichen Größenwahns und gräflicher Unfehlbarkeit vertraut zu Recht weiblicher Anmut und listiger Rechtschaffenheit. Ihr grundehrlicher Derwisch von Vater, den Mut und Stolz des friesischen Bauern auszeichnen, wird von Peter Blohm gespielt. Der vierte in diesem Bühnenbunde ist Jörn, in den Diensten des Grafen stehender Lakai und Landwirt. Hans Georg Frers weiß gut die dümmliche Partitur des Untertan zu klimpern, wobei auch hier sich scheinbare Naivität mit Schläue paart. Stummer Lakai bis zur Pause Harro Albers, der im zweiten Teil des Stücks in einem zwar nur kleinen Part seine ganze Komödiantenkunst hervorzaubert.
Die Anna (Inge Sachtje) verzaubert auch den polternden Grafen (Arnold Preuß)
NORDWEST-ZEITUNG
Märchenhaft wahr: "De kloke Anna"
Niederdeutsches Gemeinschaftswerk
Von Ernst Goetsch
Delmenhorst. Es war einmal ein junger Graf; der langweilte sich sehr. Und weil er sich langweilte, quälte er seine Diener mit Rätseln, die sie nicht zu lösen wußten. Aber dann geriet der Graf an einen gewitzten Landpächter, der die Rätselnüsse zu knacken wußte mit Hilfe seiner klugen Tochter, wie sich bald herausstellte. Und da freite der Graf die Kluge. Doch dann bekam er von ihr Nüsse zu knacken, noch härtere, und da wurde der Graf sehr, sehr ärgerlich...
Dieses Märchen, 1959 von Paul Schurek geschrieben, hat es in sich. Da wird nicht nur heiter am Lack hochherrschaftlicher Selbstgefälligkeit gekratzt; da wird auch schon ein Stückchen Emanzipation geboten. Denn Anna, "de kloke Anna", will nicht gelten lassen, daß der Kopf einer Frau nur so denken darf, wie ein Mann denkt.
Schurek hat das humorvoll in elf Bilder gebracht, die auf den ersten Blick zwar naiv märchenhaft erscheinen, bei näherer Betrachtung jedoch zeitlos wahre Verhältnisse einspiegeln. Rudolf Plent, Regisseur des Oldenburgischen Staatstheaters, nahm sich dieser klugen Anna an im Auftrag des Niederdeutschen Bühnenbundes Niedersachsen und Bremen, bei einer Gemeinschaftsproduktion, die in den kommenden Monaten mindestens vierzigmal in niedersächsischen Städten und Gemeinden zu sehen sein wird.
Premiere war am Mittwoch im Kleinen Haus Delmenhorst, und was man dort sah und hörte, (das war nicht nur wohl abgerundetes, solides Amateurspiel; das war mehr. Das war Zeugnis unverfälschter niederdeutscher Bühnenliteratur, demonstriert am Beispiel eines Stückes, das die Fülle und den Reichtum farbig poetischer Mundartdichtung überzeugend ausweist.
Plents Inszenierung unterstrich das diese wohltuende Distanz vom Platten, vom vordergründig Ulkigen. Plents Regie setzt Tupfer, wo sie hingehören; sie sichert der sprachliche Qualität dieser Komödie ihren Rang, und sie weiß Schureks Komik den ihr eigenen Doppelsinn beizuebnen. Daß im siebenten Bild (unmittelbar vor der Pause) und im elften, dem letzten Bild ein bißchen Spieltempo fehlt, mag als Folge der Premieren Nervosität schon bald vergessen sein.
Stimulierend in seiner Schlichtheit wirkt das Bühnenbild August Ahlers': Nur das absolut Notwendige an Requisiten von den "dienenden" Akteuren zeremoniell abgeräumt und wieder neu aufgebaut steht da (Denn: "Je weniger man sieht, desto mehr kann man sich einbilden". Richtig!). Aber dahinter, auch sehr geschickt eingebracht, sieht man zwei große Wendetafeln, von denen eine grau bleibt, während die andere jeweils den Schauplatz markiert: Schloß des Grafen oder Kate des Pächters.
Von den fünf Schauspielern überzeugte besonders Peter Blohm (Brake) als der um Pachterlaß kämpfende Kätner Klaas. Ein handfester, sich seiner Unzulänglichkeit, aber auch der Gewitztheit seiner Tochter bewußter "kleiner Mann" sicher im Ausdruck, sprachlich akkurat und selbst in der kleinsten Geste maßvoll abgezirkelt. Und neben ihm Inge Sachtje (Delmenhorst) = eine Frau, die weiß, was sie will. Ungeziert, vital, ursprünglich, echt. Arnold Preuß (Wilhelmshaven) gab einen Grafen, der sich nicht scheut, seinen Überdruß an Solo Genuß an praller Tafel rülpsend preiszugeben, aber auch einer, der Betroffenheit über vermeintliche Unbotmäßigkeit der zunächst bewunderten, dann gefürchteten Anna grotesk fiebrig einbringt. Und schließlich die Diener: HansGeorg Frers (Neuenburg) als oft gescholtener Jörn von Szene zu Szene sich steigernd bis zu rundum leiser und weiser Komik "von unten her". Neben ihm Harro Albers (Delmenhorst) als plietscher und hintersinniger Fiete: Ein im Herrschaftsbereich Angepaßter, aber unterhalb der gräflichen Ebene (privat) außerordentlich pfiffig bauernschlauer Egoist.
Langer herzlicher Beifall für alle Beteiligten. Ein Spaß mit Pfiff. Ein Spiel mit Gewinn weil aus Schureks Märchenspiegel vielfarbig funkelnd Wahrheit blinkt.
Die Vermittlungsversuche von Klaas (Peter Blohm, Brake) scheitern, Anna (Inge Sachtje, Delmenhorst) und Graf (Arnold Preuß, Wilhelmshaven) haben beide einen echten Dickkopf
KREISZEITUNG WESERMARSCH
Am eindrucksvollsten Bühnenbild und Streit
Gemeinschaftsinszenierung "De kloke Anna"
Von Jutta Graeve
Brake. Das Bühnenbild und die Streitszene waren das Eindrucksvollste bei "De kloke Anna", der Gemeinschaftsinszenierung des Niederdeutschen Bühnenbundes, die am Donnerstagabend im BBZ Forum gespielt wurde. Eine der Hauptrollen, die des Bauern Klaas, hatte Peter Blohm von der Braker Bühne übernommen. Es ist bezeichnend für die Regie von Rudolf Plent, daß er viel Sorgfalt in die Gestaltung der Details legte.
"Eure Phantasie, liebe Zuschauer, soll auch etwas zu tun bekommen", meinte Bauer Klaas zu Beginn des Spiels, als der Vorhang aufging und nur ein "schwarzes Loch" als Bühne zu sehen war. Dieses Märchenspiel in elf Bildern von Paul Schurek spielte an zwei Orten, sie wurden symbolisiert durch große Wandbilder und durch die Decke des Tisches und die Stühle. Dabei zeigten insbesondere Hans Georg Frers aus Neuenburg als Jörn und Harro Albers, Delmenhorst, als Fiete, daß man allein aus dem Auswechseln der Utensilien eine kleine Kommödie machen kann.
Peter Blohm's gutes Spiel ist in Brake bekannt, er war hier so recht in seinem Element, sparsam in Gesten und Mimik, doch dafür in der Aussage besonders intensiv, wußte er, den Bauern Klaas zu gestalten, der immer versuchte, das beste aus jeder Situation zu machen. Pfiff verbunden mit viel Charme, das war die kloke Anna, wie'sie Inge Sachtje, Delmenhorst, wie auf den Leib geschrieben schien.
Neben ihr fiel es Arnold Preuß, Wilhelmshaven, schwer, seinem "Grafen" Profil 'zu geben. Doch gerade dieses "Wüten' um sein Ansehen, dieses hoffnungslose Unterliegen gegenüber weiblicher Klugheit und der damit verbundenen Überlegenheit weiblichen Liebreizes, waren ja der Kern des Stückes. Somit wurde er seiner Rolle voll gerecht.
Ein wahres Meisterstück allerdings vollbrachte Harro Albers bei der Streitszene, wo es um ein Fohlen ging. Ein Feuerwerk von Text brauste über die Zuschauer hin, die Pointen jagten sich, es mußte schnell mitgedacht werden, um die Köstlichkeit dieses Kabinettstückchens zu erfassen. Hans Georg Frers war ein würdiger "Gegner".
"De kloke Anna" war das Theaterstück, das die Niederdeutsche Bühne Brake selbst zu ihrem vierzigjährigen Jubiläum 1972 in eigener Regie mit Rudi Plent als Regisseur aufführte. Damals war es seine erste niederdeutsche Inszenierung. Auch das Datum stimmte, an einem 23. Februar wurde vor 51 Jahren die Niederdeutsche Bühne Brake gegründet. Rudi Plent führt auch Regie in der nächsten Inszenierung der Braker Bühne "Een Handvull Minsch", die Premiere ist am 29. März.
Der ' Bühnenbildentwurf stammt von August Ahlers, Oldenburg, die Ausführung übernahmen Friedrich Decker und Gustav Weyerts, beide Jever und die beiden hübschen Bühnenbilder gestaltete Willy Eggenhoff, Neuenburg." De kloke Anna" ist im Braker BBZ Forum noch eimal am Donnerstag, 1. März um 20 Uhr zusehen.
Anna (Inge Sachtje) amüsiert sich über den lospolternden Grafen (Arnold Preuß)