Wilhelmshavener Erstaufführung

DE ROODE ÜNNERROCK

Volkskomödie in fünf Akten von Hermann Boßdorf

Inszenierung: Horst Jönck
Bühnenbildentwurf und -maler: Herbert Ulbrich

Bühnenbau: Bernhard Bertram, Walter Borraß, Karl-Heinz Goldenstein,  Erwin Hildebrandt, Uwe Rozga, Klaus Panka,
Beleuchtung: Peter Pfaus
Inspizientin: Annchen Warrings-Konken
Souffleuse: Karin Heyel
Requisiten: Marga Goldenstein, Helga Borraß

Rollen und Darsteller
Bohle Rickmers, twee Bröder - Wilfried Pampuch
Jülf Rickmers, op de Hallig - Arnold Preuß
Wessel Wessels, ehr Ohm Buur - Karl-Heinz Schröder
Maike Harder, een Wittfro - Wilma Welte
De Halligpaster - Claus Miehlke


Ohm Buur Wessels (Karl-Heinz Schröder) besucht Bohle (Wilfried Pampuch) und Jülf (Arnold Preuß) - nicht ganz ohne Hintergedanken

WILHELMSHAVENER ZEITUNG

Was ein roter Unterrock anrichten kann

Gelungener Auftakt der Niederdeutschen mit Boßdorfs "De rode Unnerrock"

Von Barbara Schwarz

Was so ein roter Unterrock alles anrichten kann, "dat is'n Büx!" So hätte es jedenfalls Jülf Rickmers ausgedrückt, der jüngste der Brüder Rickmers von der Hallig Lüttjeoog. Der Onkel der beiden Rickmers-Jungs packt den roten Unterrock unmittelbar nach dem Tod seiner Schwester, der Mutter von Bohle und Jülf, auf den Tisch und Hermann Boßdorf entwickelt um das provozierende Kleidungsstück herum eine hübsche Komödie. Uraufgeführt wurde sie am 26. November 1921 im Altonaer Stadttheater von der dortigen Niederdeutschen Bühne unter Leitung von Richard Ohnsorg.

Die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven brachte die inzwischen klassisch gewordene Komödie "De rode Unnerrock" jetzt zum Auftakt der neuen Spielzeit in einer sorgfältigen Inszenierung von Horst Jönck heraus. Das Premierenpublikum nahm die Aufführung mit viel Beifall auf.

Jönck gibt gleich in der ersten Szene den "twee unbedarften Walroßküken" Bohle und Jülf, Raum. Wilfried Pampuch in der Rolle des Ältesten, Bohle Rickmers, und Arnold Preuß als um ein Jahr jüngerer Bruder Jülf, können die wortkarge, langsambedächtige Art und Denkweise der Brüder so richtig schön ausspielen. Die beiden, so meint man, kann überhaupt nichts erschüttern. Nach langen sinnigen Überlegungen über den Tod der Mutter, gelangen die beiden schließlich zu der Erkenntnis: Es muß wieder eine Frau ins Haus.

Ihr Ohm Bur Wessel Wessels, Mutters einziger Verwitweter Bruder, hat aber bereits weiter gedacht. Die Neffen brauchen eine Frau im Haus auf der Hallig, er selber aber auch einen Erben. Der rote Unterrock sorgt schließlich trotz aller gegenteiligen Bemühungen des Halligpastors dafür, daß der, der das Geld hat, die Braut bekommt. Und noch etwas dazu. Da erinnert Hermann Boßdorfs Volksstück dann ein wenig an Marcel Pagnols 1931 entstandenes Volksstück "Fanny": Auch hier verschwindet der geliebte Mann für unbestimmte Zeit auf See und der Alte nimmt die verlassene Schwangere auf.

Bei Boßdorf ist der Fall allerdings etwas heikler; denn der dreimal durch alle Ohren geschlitzte Ohm Bur spielt im Grunde ja ein ganz böses Spiel mit seinen Neffen und der jungen Wittfro Maike Harder. Daß man ihm das als Zuschauer nicht übelnimmt, liegt an der herzlichen Schlitzorigkeit, mit der Karl Heinz Schröder den Ohm Bur zeichnet, aber auch an der etwas öligen Scheinheiligkeit, mit der Claus Miehlke den Halligpastor ausstattet und eben an den beiden Walroßküken.

Sie entzweien sich über die junge Frau, die ihnen der Ohm ins Haus bringt, völlig. Bohle und das macht Wilfried Pampuch glänzend kehrt den Hallig Herren heraus. Der sensiblere Jülf und das zeigt Arnold Preuß überzeugend zerbricht beinah daran und an der Liebe. Maike Harder, dem Jüngsten, Jülf, durchaus am ehesten zugeneigt, sieht mit ihm keine Zukunft; denn Jülf hat kein Geld. Wilma Welte gelingt die Darstellung der durchaus nicht unberechnenden jungen Wittfroo Maike Harder als differenzierte Charakterdarstellung. Sie verleiht ihr nicht nur sympatische Züge, so daß der mit Jülf mitleidende Zuschauer am Ende dann doch für ihn die See als die bessere Lösung ansieht.

Kein Stück, bei dem sich der Zuschauer auf die Schenkel schlagen kann, sondern ein Volksstück im Pagnol'schen Sinn, mit Humor, Herz und Schmerz. Das Ganze spielt in der guten Stube des Rickmerschen Hallighauses mit Blick aus dem Fenster in die weite Wattenlandschaft. Das ansehnliche Bühnenbild hat Herbert Ulbrich entworfen und unter Klaus Pankas Leitung haben es Bernhard Bertram, Walter Boraß, Erwin Hildebrandt, Karl Heinz Goldenstein und Uwe Rozga gebaut.

Der langanhaltende Beifall des Premierenpublikums galt allen an der Produktion Beteiligten, voran den Darstellern und Regisseur Horst Jönck.

Eine Frau im Haus (Wilma Welte) und schon gerät die sonst so heile Welt zwischen den Brüdern (Wilfried Pampuch und Arnold Preuß) gewaltig aus den Fugen

JEVERSCHES WOCHENBLATT

Ein unerwartetes Ende bei "De rode Unnerrock"

Niederdeutsche Bühne hatte einen hervorragenden Saisonstart

(js) Wilhelmshaven. Einen hervorragenden Saisonstart hatte die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven mit "De rode Unnerrock". Mit langanhaltendem Beifall entlohnte das Publikum die Darsteller und Organisatoren für ihre gelungene Aufführung der Komödie von Hermann Boßdorf. "De rode Unnerrock", niederdeutsche Volkskomödie, wer das hört, erwartet zunächst ein unbeschwertes Lustspiel, vielleicht sogar einen Schwank. Wer denkt da nicht an ein delikates Corpus delicti, das, im Hotelzimmer versehentlich liegengelassen, von einer eifersüchtigen Ehefrau entdeckt, zum Angelpunkt einer turbulenten Verwechslungsgeschichte französischen Einschlags wird? Weit gefehlt.

Als Boßdorf seine Komödie plante, hatte er am Anfang nur den Titel "De rode Unnerrock". Dies Kleidungsstück sollte darin aber eine ganz andere Rolle spielen als in der jetzt vorliegenden Hallig Komödie; es sollte geradezu ein treibender Faktor der Handlung sein. Der Dichter wollte eine Dorfklatschgeschichte in den Mittelpunkt stellen. Doch dann kam ihm eines Tages, "wie ein Blitz" die Idee: "Vier Männchen, ein Weibchen. Halligdöns." Und es entstand eine Komödie, die eine gewisse Spannung beinhaltet und einen Schluß parat hält, der für viele Zuschauer überraschend verläuft.

Das Stück führt uns in eine Welt, die der Dichter aus eigener Anschauung nicht kannte. Einsam und allein wohnen die beiden Brüder Rickmers auf einer Hallig. Draußen ist diesiges Wetter. Sie sitzen in der Stube und sprechen in abgerissenen Sätzen von der toten, guten Mutter. Und schließlich bekennen beide gleichzeitig: es muß wieder eine Frau auf die Hallig. Während sie noch reden, kommt ihr Ohm, der reiche Bauer Wessels, ein noch stattlicher Witwer von allerdings schon sechzig Jahren. Er hat den beiden "Walroßküken" allerlei mitgebracht: vor allen Dingen guten Rum und einen roten Unterrock. Für dieses Kleidungsstück haben die beiden aber keinerlei Verwendung; jedoch beim Grog klärt er die Jungen auf: er hat eine Haushälterin bestellt, und die soll den Rock als Geschenk haben. Allerdings schildert er diese Person als ein altes, häßliches, puckeliges, schielendes Weib, das schon vier Männer zu Tode geärgert hat.

Und so erscheint die junge Witwe Maike Harder, meisterhaft gespielt von Wilma Weite, auf der kleinen Hallig. Sie verwirrt nicht nur die beiden Rickmers Brüder Bohle und Jülf, ebenso hervorragend gespielt von Wilfried Pampuch und Arnold Preuß, sondern auch dem Halligpaster (Clans Miehlke) den Kopf. Aber auch der reiche Bauer Wessels (Karl Heinz Schröder) führt irgendetwas im Schilde. Die Ereignisse auf dem Eiland spitzen sich zu. Schier unerträglich wird die Situation auf der Hallig, als Maike ein Kind erwartet. Doch wer ist der Vater? Bohle, der ohne sie nicht mehr leben kann, oder Jülf der fast vor Liebe nach ihr vergeht. Vielleicht ist es auch der Paster, der bereits sechs Kinder hat und Witwer ist. Und da ist noch Ohm Bauer Wessels, der dringend einen Erben braucht für seinen Hof. Die Spannung bleibt bis zuletzt, dank der hervorragenden schauspielerischen Leistungen der Darsteller, bestehen. Die Aufführung hat ein Ende, das keiner erwartet!

Auch der Halligpastor (Claus Miehlke) macht Maike (Wilma Welte) Avancen