Niedersächsische Erstaufführung 17.9.1995
HANNES UN MARTHA
(Harold and Maude)
Komödie von Colin Higgins
Plattdeutsch von Arnold Preuß
Inszenierung: Uwe Rohbeck
Bühnenbild: Peter Kettner
Dramaturgie: Nina Wittemer
Einstudierung der Musik Jürn Cornelius
Regieassistenz: Elke Theesfeld
Bühnenbildbau: Walter Borraß, Alfred Christoffers, Erwin Hildebrandt
Bühnenmaler: Herbert Ulbrich
Bühnentechnik: Klaus Panka, Sönke Kiewitt, Siegfried Margowski, Günter Newerla, Gesienus Thomas
Beleuchtung: Peter Pfaus, Uwe Freiberg
Souffleuse: Anne Hillers
Inspizientin: Anke Schluppkotten
Requisiten: Angelika Lauxtermann
Rollen und Darsteller
Martha - Brigitte Halbekath
Hannes Jepsen - Thorsten Könnecke
Fro Helene Jepsen - Roswitha Wunderlich
Dr. Martens - Rolf-Peter Lauxtermann
Marie - Elke Theesfeld
Nane März - Marion Zomerland
Sunshine Doré - Nadine Meier
Silvia Glatzel - Petra Loschen
Pastor - Karl-Heinz Schröder
Karkhoffgarner - Jürn Cornelius
Wilhelmshavener Zeitung vom 19. September 1995
Martha betörend wie ein junges Mädchen
Toller Start der Niederdeutschen Bühne in die Spielzeit 1995/96
Von Ernst Richter
Hannes (Thorsten Könnecke) und Martha (Brigitte Halbekath) nehmen einen Baum mit,
er steht ihnen zu einsam
,,Kein Schwein ruft mich auf - keine Sau interessiert sich für mich..." so tönt es aus den Lautsprechern, und ein ferngesteuertes Schweinchen holpert über die Stadttheater Bühne: Das Premieren Publikum schmunzelt über die Stimme des Kabarettisten und hört gern den der Aufführung unterlegten Schlager "Kauf dir einen roten Luftballon". Aber oh Schreck ein Mann baumelt am Strick. Nur Hose, Schuhe und etwas Bein sind zu erkennen. Erst als sich der Vorhang öffnet, wird der ganze Kerl sichtbar: Es ist Hannes, gespielt von Thorsten Könnecke, in "Hannes un Martha" von Colin Higgens (Original Titel "Harold and Maude"), ins Plattdeutsche übertragen von Arnold Preuß.
Das fängt ja gut an, denken sich die Tokiekers, als ein gewaltiger Kracher die Bühne erzittern läßt, daß die Leut' im Parkett nur so zusammenzukken. Hannes hat eine Handgranate gezündet und damit wieder eines seiner "Projekte" losgelassen. Mit 15 Selbstmord Versuchen hat Hannes bereits seine Mutter Helene Jepsen und das Hausmädchen Marie "unterhalten".
So ist es nicht weiter verwunderlich, daß Mutter Helene trotz des baumelnden Sohnes zur Tagesordnung übergeht. Sie möchte Hannes endlich unter die Haube bringen und erwartet nun drei junge Damen, die ihren Hannes kennenlernen sollen. Das ergibt sehr drastische Komplikationen, denn Hannes ist nicht daran interessiert. Er wandert lieber über Friedhöfe und schaut zu, wie andere unter die Erde gebracht werden.
Dabei lernt er auch Martha, die Gräfin Mathilda Tjardes, eine "versprochene Alte" kennen. Beide entdecken gemeinsame Interessen, Leidenschaften und originelle Ideen. Die Tragödie nimmt ihren Lauf, als Hannes seiner Mutter berichtet, diese Gräfin ehelichen zu wollen. Zunächst huscht über Mutter Helenes Gesicht ein Freudenschimmer, wähnt sie sich doch schon als Gräfin Jepsen, der jedoch in Entsetzen umschlägt, als sie von dem Alter der Braut erfährt: Sie geht auf die 80 zu.
Doch es kommt nicht zu der von der Gesellschaft befürchteten Hochzeit. Martha verabschiedet sich an ihrem 80. Geburtstag vom Leben und damit von ihrem Hannes, der völlig verzweifelt seiner großen Liebe adieu sagt.
Uwe Rohbeck (Schauspieler der Landesbühne) hat "Hannes un Martha" für die Niederdeutsche Bühne Wilhelmshaven in Szene gesetzt. Premiere und damit Einstieg in die Spielzeit 1995!96 war am Sonntag. Das Publikum erlebte eine temperamentvolle und zugleich spannende Aufführung, deren ernster Hintergrund um Liebe und Alter nicht von Platitüden verdeckt wird. Flottes Spiel ohne Längen und gleich mehrere gut getimte Regie Einfälle zeichnen Rohbecks "Erstlingsarbeit" aus.
Brigitte Halbekath geht als Martha förmlich auf in ihrer Rolle, sie agiert, singt, tanzt und mimt diese schrullige Alte mit viel innerer Herzlichkeit. Thorsten Könnecke ist ihr dazu der rollengerechte Kontrast Partner. Beide stellen ein zwar ungleiches, dafür aber äußerst liebenswertes Paar dar.
Roswitha Wunderlich gefällt in bewährter Manier und modischem Chic als Helene Jepsen, unterstützt von der quicklebendigen Elke Theesfeld als Hausmädchen Marie. Karl Heinz Schröder als Pastor Friedrichs und Rolf Peter Lauxtermann als Dr. Martens werden ihren Rollen gerecht. Ein schauspielerisches Kabinettstückchen gelingt Jürn Cornelius als schimpfender Friedhofsgärtner mit stoisch empörter Mimik.
Und dann sind da die drei heiratslustigen Deerns, Petra Loschen als Studentin Silvia Glatzel, Marion Zomerland, als Sekretärin Nane März und Nadine Meyer als Schauspielerin Sunshine Dore. Jeder gelingt eine heitere Typendarstellung, bei der Nadine Meyer als Debutantin mit viel Beifall bedacht wird.
Blumig, voller Sterne, schwarze Wände, grüne Abstufungen und eine knallrote Zimmerflucht passen sich den wechselvollen Bildern plastisch an, öffnen Aktionsflächen für eine heitere Aufführung, die vom PremierenPublikum mit Standing ovation belohnt wurde,
Weitere Aufführungen: Sonntag, 24. September, 15.30 und 20 Uhr; Freitag, 29. September und Freitag, 6. Oktober, jeweils 20 Uhr; Sonntag, 15. Oktober, 15.30 und 20 Uhr; Samstag, 28. Oktober, 20 Uhr im Stadttheater, sowie am Dienstag, 26. September, 19.30 Uhr in der "Neuen Werft" Papenburg, Donnerstag, 19. Oktober, 20 Uhr im Gemeindehaus Sande und am Freitag, 20. Oktober, 20 Uhr in der Agnes Miegel Schule in F'groden.
Wieder mal ein Selbstmordversuch von Hannes (Thorsten Könnecke) - seine Mutter (Roswitha Wunderlich) ist verzweifelt.
Jeversches Wochenblatt vom 19.9.1995
"Mit achtzig ist es Zeit, sich auf den Weg zu machen"
Gelungener Saisonauftakt der Niederdeutschen Bühne mit englischer Komödie in niederdeutscher Fassung: "Hannes un Martha"
(js) Wilhelmshaven. Standing Ovations erhielten am Sonntagabend die Darsteller der Niederdeutschen Bühne Wilhelmshaven für ihre gelungene Interpretation der englischen Komödie "Harold and Maude". Die von Colin Higgins verfaßte Komödie wurde von Arnold Preuß für die Niederdeutsche Bühne ins Plattdeutsche umgeschrieben und von Uwe Rohbeck inszeniert. Während die einen sich beim Schlußapplaus vor Begeisterung von den Plätzen erhoben, zogen es die anderen vor, das Theater bereits während der Pause zu verlassen.
Denn was die Niederdeutschen am Sonntagabend ihrem Publikum boten, war nicht das, was viele immer noch vom Plattdeutschen Theater erwarten, seichte, die Lachmuskeln strapazierende Komödien, sondern erstklassiges niederdeutsches Theater. Gewöhnungsbedürftig sicher die etwas spärliche Theaterkulisse. Ungewohnt auch die Musikeinblendungen und einige Szenendarstellungen. Aber gerade das macht die Aufführung so außergewöhnlich und interessant.
"Hannes und Martha" ist die Liebesgeschichte der fast 80jährigen Gräfin Mathilda Tjardes, genannt Martha, und des jungen Mannes Hannes Jepsen. Hannes ist das, was man als "mißratenen Sohn" bezeichnen kann. Um die Aufmerksamkeit seiner egoistischen Mutter auf sich zu ziehen, täuscht er immer wieder Suizide vor. Seine Vorliebe für Schrottplätze, Beerdigungen und Friedhöfe läßt ihn zum Einzelgänger werden Martha dagegen ist die skurrile alte Dame. Voller origineIler Ideen kümmert sie sich um alles, was von den Menschen sichtbar fallengelassen wird. Sie liebt das Leben, die Natur, die Blum en und wäre selbst am liebsten eine Sonnenblume. Vor nichts der Welt hat sie Angst. "Vör dat, wat ick weet, bün ick nich Bang un wat ick nich weet, dat will ick kennen lernen." Das Wichtigste aber für Martha ist, "man dröfft nich Bang wesen Minschlich to ween!"
Auf einer Beerdigung lernen Hannes und Martha sich kennen. "Kennst du hüm?" froogst se Hannes. "He is tachentig wurm, just de rechte Tied sick up den weeg to maaken. Fiefunsöventig is to fröh un mit fiefuntachentig sit man blots no rüm." Für Martha ist der Tod ein Teil des Lebens und für Hannes eine aufregende Sensation.So beginnt eine Aufführung, in der die lauten wie die leisen Töne ihren Platz haben. Während mit schwarzen Farben das Leben von Hannes dargestellt wird, erstrahlt Marthas Dasein im grellen Rot. Gegensätze prallen hier aufeinander, denen wir selbst immer wieder begegnen. Schwarzer Humor, viele kleine Lebensweisheiten und vor allem hervorragende schauspielerische Leistungen machen das Stück sehenswert. Ihren Höhepunkt erreicht die Vorstellung, als Hannes beschließt, Martha zu heiraten. Doch Martha hat einen ganz anderen Plan. Sie beschließt an ihrem Geburtstag den Freitod zu wählen. "Tachentig", sagt sie zu Hannes, "Tachentig is de rechte Tied sück up de Weeg to maaken!" Bis Hannes endlich begreift, was sie vorhat, ist es zu spät.
Sie war die Martha mit Haut und Haar - Brigitte Halbekath
Der tosende Schlußapplaus galt vor allem Brigitte Halbekath für ihre hervorragende Verkörperung der lebensfrohen Martha. Ihre liebenswerte Art und positive Lebenseinstellung machten sie so sympathisch. Zusammen mit dem jungen Hannes, der ebenso eindrucksvoll von Thorsten Könnecke gespielt wurde, waren sie eine Idealbesetzung für dieses unterschiedliche Paar. Roswitha Wunderlich verkörperte die Rolle der Mutter Jepsen als egoistische und vornehme Dame äußerst glaubwürdig. Die von ihr per Computer ausgesuchten Heiratskandidatinnen für Hannes wurden von Petra Loschen, Marion Zomerland und Nadine Meyer theatralisch und amüsant dargestellt. Elke Theesfeld hatte als Hausmädchen Marie eine eher sprachlose Rolle. Der Totengräber (Jürn Comelius) und Pfarrer Friedrichs (KarlHeinz Schröder) waren zwei weitere Darsteller, die mit Marthas Handeln nicht immer ganz einverstanden waren. Zum Schluß bleibt nur noch Rolf Peter Lauxtermann zu erwähnen, der sich als Psychiater Dr. Marten so seine Gedanken um Hannes macht.